https://www.bph-online.de/wp-content/uploads/2019/11/Hamre_Kiene_-_Gutachten_zum_Antrag_V01.pdf[*quote*]
Wissenschaftliches Gutachten 1
zum Antrag V-01
„Echter Patient*innenschutz: Bevorteilung der Homöopathie beenden!”
Antrag zur Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis90/DieGrünen
am 15.-17. November 2019 in Bielefeld
Dr. med. Harald J. Hamre, Dr. med. Helmut Kiene
Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie
an der Universität Witten/Herdecke
Zechenweg 6, 79111 Freiburg i. Brsg.
Zusammenfassung
Der Antrag „Bevorteilung der Homöopathie beenden!“ enthält falsche bzw. irreführende Aussagen.
Das vorliegende Gutachten stellt den drei zentralen Aussagen des Antrags die entsprechenden wissen-
schaftlichen Fakten gegenüber:
1. Zum Wirkungsnachweis von hochverdünnten (homöopathisch potenzierten) Lösungen:
Die Aussage „Eine Änderung der Wirksamkeit eines Stoffes durch die sogenannte Potenzierung ist nicht
nachweisbar“ ist falsch. Wirkungen homöopathisch potenzierter Substanzen wurden in vielen Labo-
rexperimenten mittels verschiedener Testverfahren nachgewiesen und auch bei wiederholten Unter-
suchungen bestätigt.
2. Zur Wirksamkeit in Placebo-kontrollierten klinischen Studien:
Die Aussage „Die fehlende Wirksamkeit homöopathischer Verfahren über den Placebo-Effekt hinaus
wurde mehrfach in sehr großen und qualitativ hochwertigen Studien dargelegt“ ist falsch. Eine solche
Wirksamkeit wurde in vielen klinischen Studien und in entsprechenden Meta-Analysen gefunden, auch
bei Studien bzw. Meta-Analysen von höherer methodischer Qualität.
3. Zu „Gefahren“ der Homöopathie:
Die Aussage über ein „gesundheitliche[s ] Risiko der verspäteten Behandlung durch Symptomverschlep-
pung, wenn Homöopathika bei gefährlichen bzw. chronischen Erkrankungen anstatt eines Medika-
ments mit pharmazeutischen Wirkstoffen eingenommen werden“ beruht auf spekulativen Behauptun-
gen ohne Evidenzgrundlage und ist von daher irreführend. Dass erforderliche Therapien nicht in An-
spruch genommen werden, ist ein Allgemeinproblem in der Medizin. Ob dieses Problem im Kontext
der Homöopathie häufiger als sonst vorkommt, ist offen. Die diesbezügliche Datenlage aus Fallberich-
ten und vergleichenden Studien spricht gegen eine solche Hypothese.
Auffällig ist die Diskrepanz: Diese Aussagen sollen ein „Bekenntnis zu einer auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen basierenden Gesundheitspolitik“ sein, es wird aber die tatsächliche Datenlage ignoriert
und es werden lediglich ungeprüfte populäre Meinungsäußerungen übernommen.
1
Erstellt für die Internationale Akademie für Integrative Wissenschaftlich Orientierte Homöopathie, Berlin
11. Zum Wirkungsnachweis von hochverdünnten (homöopathisch poten-
zierten) Lösungen:
„In den meisten Fällen wird [die] Substanz zur Herstellung eines Homöopathikums mehrfach
unter Zugabe von Wasser oder Alkohol verdünnt und nach jedem Schritt stark geschüttelt
(sogenannte Potenzierung). Eine Änderung der Wirksamkeit eines Stoffes durch die sogenannte
Potenzierung ist nicht nachweisbar.“
Die Aussage „eine Änderung der Wirksamkeit eines Stoffes durch die sogenannte Potenzierung ist
nicht nachweisbar“ ist falsch. Wirkungen homöopathisch potenzierter Substanzen wurden in vielen
Laborexperimenten mittels verschiedener Testverfahren nachgewiesen und auch bei wiederholten
Untersuchungen bestätigt:
2007: In einem systematischen Review zur Laborforschung (in vitro) mit homöopathischen Hochpo-
tenzen wurden 67 Experimente ausgewertet, ein Drittel hiervon waren Replikationen: Drei Viertel der
Experimente und auch der Replikationen zeigten Hochpotenzeffekte. 1
2010: In einem systematischen Review wurden 107 biochemische, immunologische, zellbiologische
und zoologische Experimente hinsichtlich Reproduzierbarkeit ausgewertet: In der Hälfte davon
(53mal) zeigten Nachfolgestudien vergleichbare Effekte. 2
Gegenwärtig ist der Forschungsstand, dass sich Effekte von Hochpotenzen auch nach neuen, höheren
Standards mit validierten Modellen aufzeigen und replizieren lassen. 3-7
2. Zur Wirksamkeit in Placebo-kontrollierten klinischen Studien
„Die fehlende Wirksamkeit homöopathischer Verfahren über den Placebo-Effekt hinaus wurde
mehrfach in sehr großen und qualitativ hochwertigen Studien dargelegt.“
Die Aussage ist falsch. Eine Wirksamkeit homöopathischer Therapie über den Placebo-Effekt hinaus
wurde in vielen klinischen Studien und in entsprechenden Meta-Analysen gefunden, auch bei Stu-
dien von höherer methodischer Qualität.
Seit 1996 wurden sechs Meta-Analysen von randomisierten,
Placebo-kontrollierten klinischen Homöopathiestudien zu Erläuterungen zur Methodik rando-
misierter Placebo-kontrollierter klini-
jeglicher Behandlungsindikation aus dem Bereich der Hu-
scher Studien bzw. deren Meta-Ana-
manmedizin veröffentlicht, davon drei zu jeglicher Art von
lysen: → siehe Seite 3.
8,9
Homöopathie (Boissel 1996 und Cucherat 2000 ), (Linde
1997 und 1999 10,11 ) (Shang et al 2005/Lüdtke 2008 12,13 ), zwei nur zu individualisierter Homöopathie
(Linde 1998 14 ) (Mathie et al 2014 15 ) und eine zu nicht-individualisierter Homöopathie (Mathie et al
2017 16 ).
Alle Primäranalysen dieser sechs Meta-Analysen zeigten einen positiven Therapieeffekt der Homöo-
pathie über Placebo hinaus. Diese Therapieeffekte waren in fünf der sechs Meta-Analysen 9,10,14-16 sta-
tistisch signifikant, in der sechsten Meta-Analyse 12 wurde die statistische Signifikanz nicht explizit er-
wähnt, ist aber angesichts der sonstigen veröffentlichten Daten wahrscheinlich.
Zu allen sechs Meta-Analysen wurden Sensitivitätsanalysen hinsichtlich der methodischen Qualität
der eingeschlossenen Studien durchgeführt. Verwendet wurden dabei jeweils 1 bis 9 Studienqualitäts-
indikatoren. So entstanden insgesamt mehr als 50 Sensitivitätsanalysen. Wenn wir hier die Sensitivi-
tätsanalysen mit jenen Qualitätsindikatoren ausklammern, die nicht
Fortsetzung S. 4
2
Erläuterungen zur Methodik Placebo-kontrollierter klinischer Homöopathie-
studien und ihrer Meta-Analysen
Homöopathische Therapie kann individualisiert oder nicht-individualisiert erfolgen: Individuali-
sierte Homöopathie umfasst eine eingehende Befragung der Patienten zur Art ihrer Krankheits-
symptome, anderer Beschwerden usw., um jeweils eine dazu passende „individualisierte“ homöopa-
thische Behandlung auszuwählen. Nicht-individualisierte Homöopathie erfolgt nach anderen Kri-
terien und erfordert weniger Zeitaufwand.
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten klinischen Homöopathiestudie werden die Pati-
enten durch ein spezielles Verfahren zufällig (Engl. „random“) an eine Behandlungs- und eine Kon-
trollgruppe verteilt. Durch die Zufallsverteilung sollen andere Faktoren, die zusätzlich zu der Behand-
lung das Studienergebnis beeinflussen könnten (z.B. Dauer und Schweregrad der zu behandelnden
Erkrankung) in beiden Gruppen gleich verteilt werden. – Die Behandlungsgruppe erhält ein homöo-
pathisches Arzneimittel (Homöopathikum), die Kontrollgruppe erhält eine Placebo-Substanz, die
möglichst exakt gleich wie das Homöopathikum aussieht, im Munde schmeckt usw. Zweck der Pla-
cebobehandlung ist es, dass beide Patientengruppen nicht wissen sollen, welche Therapie sie erhal-
ten, so dass eventuelle psychologische Faktoren, die das Studienergebnis beeinflussen könnten (z.B.
die Erwartung einer Besserung), in beiden Gruppen gleich verteilt sind, ebenso auch sonstige The-
rapiekomponenten (z.B. Erhebung der Krankengeschichte, Untersuchung, Aufklärung und Beratung).
Deswegen sollen möglichst nicht nur die Patienten, sondern auch die Ärzte bzw. Therapeuten und
sonstige an der Datenerhebung beteiligte Personen über die Zugehörigkeit der Patienten zur Homö-
opathie- bzw. Placebogruppe „verblindet“ sein (Doppelblindstudie).
Als klinisches Studienergebnis werden zum Beispiel die Anzahl gebesserter Patienten oder das
Ausmaß der Besserung (nach vorab festgelegten Kriterien) in den zwei Gruppen gemessen. Der
Therapieeffekt des Homöopathikums ist der Unterschied der zwei Gruppen, d.h. das Therapieer-
gebnis in der Homöopathiegruppe abzüglich des Ergebnisses in der Placebogruppe, nach festgeleg-
ten Berechnungsverfahren wie Subtraktion, Division usw. Das Ergebnis enthält u.a. ein Maß für die
Größe des Unterschieds (Effektgröße) und ein Maß für die statistische Signifikanz. Ein Unterschied
bzw. Therapieeffekt gilt als signifikant, wenn die Wahrscheinlichkeit eines statistisch zufällig vor-
kommenden Unterschieds weniger als 5% beträgt (p<0.05). Sowohl kleinere als auch größere Pro-
zentwerte sind möglich. In der hier vorliegenden Übersicht werden die üblichen 5% verwendet.
In systematischen Reviews werden die Ergebnisse aller auffindbaren Studien zu einer bestimmten
Fragestellung (in unserem Fall „randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studien zu homö-
opathischen Therapieverfahren bei jeglicher Erkrankung“) zusammengestellt und bewertet.
In Meta-Analysen werden darüber hinaus die Ergebnisse der Einzelstudien – große und kleine Stu-
dien, Studien mit statistisch signifikanten und nichtsignifikanten Ergebnissen – zu einem quantitativen
Durchschnitts-Therapieeffekt zusammengefasst, ebenfalls mit Effektgröße und Signifikanz.
In der Primäranalyse wird das zusammengefasste Ergebnis für alle in der Meta-Analyse einge-
schlossenen Studien ermittelt und dargestellt.
Durch zusätzliche Sensitivitätsanalysen kann untersucht werden, ob der Therapieeffekt in der Un-
tergruppe der Studien mit höherer methodischer Qualität größer ist als in der Gesamtheit der Studien,
oder ähnlich oder geringer (und dann ggf. nicht mehr signifikant). Die methodische Qualität wird an-
hand unterschiedlicher Qualitätsindikatoren bewertet, z.B. bezüglich Zufallsverteilung der Patien-
ten, Verblindung der Patienten und Ärzte, Umgang mit fehlenden Daten wegen Patientendropouts.
Oft, aber nicht immer, zeigen methodisch bessere Studien geringere Effekte. Dies wird gerne so
interpretiert, dass es in methodisch schlechteren Studien zu einer Überschätzung der Therapieeffekte
komme. Es können aber auch andere Ursachen die gleiche Konstellation ergeben, z.B. bessere The-
rapieergebnisse durch erfahrenere Homöopathen in den „schlechteren Studien“ oder umgekehrt. Au-
ßerdem kann die Einschränkung der analysierten Studien auf solche mit höherer Qualität andere
Änderungen bewirken, die ebenfalls das Ergebnis verändern, z.B. in den vorliegenden Meta-Analy-
sen eine Änderung des Indikationsspektrums. 13 Deshalb sind Ergebnisse von methodisch besseren
Studien nicht notwendigerweise „korrekter“ als die Ergebnisse von Studien, die weniger Qualitätskri-
terien erfüllen, und man sollte immer die Ergebnisse der Primäranalyse mit berücksichtigen.
3empfohlen werden (Korrekturverfahren aufgrund von Funnel-Plot-Diagnostik 17,18 , Beschränkung auf
Studien mit einer bestimmten Dropoutrate 19 ) oder bei denen ein Qualitätsindikator wiederholt schritt-
weise geändert wird, ohne dass zugleich ein Wechsel von statistischer Signifikanz zu Nicht-Signifikanz
oder umgekehrt erfolgt, bleiben 19 Sensitivitätsanalysen.
Bei 7 dieser 19 Sensitivitätsanalysen 5,10,11 war jeweils nur ein einziger Qualitätsindikator verwendet
worden; alle 7 zeigten einen signifikanten positiven Therapieeffekt der Homöopathie über Placebo
hinaus.
Bei 12 dieser 19 Sensitivitätsanalysen waren jeweils mehrere Qualitätsindikatoren verwendet wor-
den. Alle 12 Analysen zeigten einen positiven Therapieeffekt der Homöopathie über Placebo hinaus,
und zwar 9mal statistisch signifikant 10,11,13,15,16 und 3mal nicht signifikant. 11,14,16
• 3 dieser 12 Sensitivitätsanalysen hatten eine geringe Anzahl (jeweils 3) Qualitätsindikatoren.
9 dieser 12 Analysen verwendeten eine hohe Anzahl (7 oder 9) Qualitätsindikatoren; in diesen
9 Analysen war der Therapieeffekt 7mal signifikant 10,11,15,16 und 2mal nicht signifikant. 11,16
• 4 dieser 12 Sensitivitätsanalysen hatten besonders strikte Qualitätsindikatoren. 3mal war der
Therapieeffekt signifikant, 10,11 1mal war er nicht signifikant. 11
• 8 dieser 12 Sensitivitätsanalysen gehören zu vier Meta-Analysen aus dem Zeitraum 1996-
2008, 8-14 4 der Analysen gehören zu zwei Meta-Analysen aus dem Zeitraum von 2017-2019. 15,16
In diesen 21 Jahren gab es eine beachtliche Entwicklung der methodischen Standards für
Meta-Analysen. Sie betreffen auch andere Aspekte als die Qualitätsindikatoren. Die zwei
jüngsten Meta-Analysen (Mathie 2014 und 2017 15,16 ) wurden unter Befolgung neuerer Quali-
tätsstandards durchgeführt: vorab definiertes Studienprotokoll; Qualitätsbewertung der Stu-
dien nach dem Cochrane “Risk-of-Bias”-Instrument; vorab definierte Zielparameter nach
WHO-Empfehlungen; Berichterstattung gemäß der PRISMA-Richtlinien. In den 4 Sensitivitäts-
analysen aus diesen zwei Meta-Analysen war der Therapieeffekt 3mal statistisch signifikant 15,16
und einmal nicht signifikant. 16
Zusammenfassung: Meta-Analysen von Placebo-kontrollierten Homöopathiestudien zu jeglicher Indi-
kation zeigen positive Therapieeffekte der Homöopathie über Placebo hinaus (6 von 6 Meta-Analysen),
die statistisch signifikant sind (explizit 5 von 6, wahrscheinlich 6 von 6 Meta-Analysen). Bei Beschrän-
kung der Meta-Analysen auf Studien mit höherer methodischer Qualität sind die positiven Therapie-
effekte weiterhin überwiegend signifikant (16 von 19 Sensitivitätsanalysen), auch bei Analysen mit ei-
ner hohen Anzahl von Qualitätsindikatoren (7 von 9 Analysen), mit besonders strikten Kriterien (3 von
4 Analysen) und nach den neueren, verbesserten Standards (3 von 4 Analysen).
3. Zu „Gefahren“ der Homöopathie
„Einige betonen das gesundheitliche Risiko der verspäteten Behandlung durch Symptomver-
schleppung, wenn Homöopathika bei gefährlichen bzw. chronischen Erkrankungen anstatt eines
Medikaments mit pharmazeutischen Wirkstoffen eingenommen werden.“
Diese Aussage beruht auf spekulativen Behauptungen ohne Evidenzgrundlage, sie ist von daher ir-
reführend.
Allgemein gilt: Es gibt in der Medizin ärztliche Kunstfehler, auch ist die Compliance der Patienten nicht
immer optimal. Dass erforderliche Therapien bisweilen nicht in Anspruch genommen werden, ist ein
Allgemeinproblem in der Medizin. Ob dieses Problem häufiger vorkommt, wenn „Homöopathika ...
eingenommen werden“, ist eine empirische Frage, weswegen statt bloßer Mutmaßungen ein kritischer
4Blick auf die tatsächliche Evidenzlage und hierbei letztlich auf vergleichende Studien zur Behandlungs-
praxis erforderlich ist.
Zu dem speziellen Thema der verspäteten Behandlung bzw. Symptomverschleppung gibt es ein syste-
matisches Review zu Fallberichten und Fallserien. Es konnten in der Weltliteratur 8 Publikationen zu
insgesamt 16 Patienten gefunden werden. Laut der Autoren seien bei diesen Patienten durch die An-
wendung von Homöopathie statt konventioneller Medizin verschiedenste Komplikationen verursacht
worden. 20 Die gesicherte Datenlage ist allerdings anders. Wir haben die Originalpublikationen dieses
Reviews überprüft: Nur in einem einzigen (!) der 16 Fälle konnte bestätigt werden, dass bei Einnahme
von Homöopathika und Nichtanwendung eines indizierten Medikaments Komplikationen aufgetreten
sind (Nichtanwendung von früher schlecht vertragenen Malariaprophylaktika bei Reise in Gegend mit
endemischer Malaria, gefolgt durch Malaria – wobei die Nichtanwendung von Malariaprophylaxe auch
völlig unabhängig von Homöopathie ein Problem in der Reisemedizin sein kann 21,22 ).
Bei den anderen 15 Patienten: 6mal eindeutig überhaupt keine homöopathische Behandlung bzw. überhaupt keine
Nicht-Inanspruchnahme konventioneller Therapie; 4mal mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt keine homöopa-
thische Behandlung bzw. keine Komplikationen wegen fehlender wirksamer Behandlung, sondern wegen Elimina-
tionsdiät von Säuglingen; 5mal ungesichert, ob die angebliche Behandlung durch „Homöopathen“ eine tatsächliche
homöopathische Behandlung beinhaltete.
In vergleichenden Studien von homöopathischer und konventioneller Therapie bzw. Placebo (ver-
schiedene Indikationen: randomisierte Studien 23-25 , Beobachtungsstudien 26-33 ) waren Nebenwirkungen
bzw. Komplikationen unter Homöopathie vergleichbar häufig 23-26,28,30-33 oder signifikant seltener ( 27,29
+ Erwachsene in 28 ) als unter konventioneller Therapie bzw. Placebo.
Fazit und Kommentar
Die drei hier untersuchten Aussagen
• es sei eine Wirkung sogenannter Potenzierung nicht nachweisbar,
• es sei die fehlende Wirksamkeit homöopathischer Verfahren über Placebo hinaus mehrfach
dargelegt,
• es bestehe durch homöopathische Behandlungen das gesundheitliche Risiko einer verspäte-
ten Behandlung durch Symptomverschleppung,
sind wissenschaftlich falsche bzw. irreführende Aussagen über ein komplementärmedizinisches The-
rapieverfahren. Die entsprechenden Fakten wurden oben dargestellt.
Auffällig ist die Diskrepanz: Diese Aussagen sollen ein „Bekenntnis zu einer auf wissenschaftlichen Er-
kenntnissen basierenden Gesundheitspolitik“ sein, es wird aber die tatsächliche Datenlage ignoriert
und es werden lediglich ungeprüfte populäre Meinungsäußerungen übernommen.
Freiburg, 8. November 2019
Dr. med. Harald J. Hamre
Dr. med. Helmut Kiene
5 Literatur
1. Witt CM, Bluth M, Albrecht H, Weisshuhn TE, Baumgartner S, Willich SN. The in vitro evidence for
an effect of high homeopathic potencies - a systematic review of the literature. Complement Ther Med
2007; 15(2): 128-38.
2. Endler P, Thieves K, Reich C, et al. Repetitions of fundamental research models for
homeopathically prepared dilutions beyond 10(-23): a bibliometric study. Homeopathy 2010; 99(1): 25-
36.
3. Baumgartner S. Stand der Grundlagenforschung in der Homeopathie. Der aktuelle Stand der
Forschung zur Homöopathie: Versorgungsforschung, randomisierte kontrollierte klinische Studien,
Meta-Analysen, Grundlagenforschung. Köthen (Anhalt): Wissenschaftliche Gesellschaft für
Homöopathie; 2016: 43-50.
4. Harrer B. Replication of an experiment on extremely diluted thyroxine and highland amphibians.
Homeopathy 2013; 102(1): 25-30.
5. Majewsky V, Scherr C, Arlt SP, et al. Reproducibility of effects of homeopathically potentised
gibberellic acid on the growth of Lemna gibba L. in a randomised and blinded bioassay. Homeopathy
2014; 103(2): 113-26.
6. Jäger T, Wurtenberger S, Baumgartner S. Effects of homeopathic preparations of Mercurius
corrosivus on the growth rate of severely mercury-stressed duckweed Lemna gibba L. Homeopathy
2019; 108(2): 128-38.
7. Doesburg P, Andersen JO, Scherr C, Baumgartner S. Empirical investigation of preparations
produced according to the European Pharmacopoeia monograph 1038. Eur J Pharm Sci 2019; 137:
104987.
8. Boissel JP, Cucherat M, Haugh M, Gauthier E. Critical literature review on the effectiveness of
homoeopathy: overview of data from homoeopathic medicine trials. Homoeopathic Medicine
Research Group, Report of the Commission of the European Communities, Directorate-General XII –
Science, Research and Development, Directorate E – RTD Actions: Life Sciences and Technologies –
Medical Research. Brussels; 1996: 195-210.
9. Cucherat M, Haugh MC, Gooch M, Boissel JP. Evidence of clinical efficacy of homeopathy. A
meta-analysis of clinical trials. HMRAG. Homeopathic Medicines Research Advisory Group. Eur J Clin
Pharmacol 2000; 56(1): 27-33.
10. Linde K, Clausius N, Ramirez G, et al. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A
meta-analysis of placebo-controlled trials. Lancet 1997; 350: 834-43.
11. Linde K, Scholz M, Ramirez G, Clausius N, Melchart D, Jonas WB. Impact of study quality on
outcome in placebo-controlled trials of homeopathy. J Clin Epidemiol 1999; 52(7): 631-6.
12. Shang A, Huwiler-Muntener K, Nartey L, et al. Are the clinical effects of homoeopathy placebo
effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet 2005;
366(9487): 726-32.
13. Lüdtke R, Rutten AL. The conclusions on the effectiveness of homeopathy highly depend on the
set of analyzed trials. J Clin Epidemiol 2008; 61(12): 1197-204.
14. Linde K, Melchart D. Randomized controlled trials of individualized homeopathy: a state-of-the-art
review. J Altern Complement Med 1998; 4(4): 371-88.
15. Mathie RT, Lloyd SM, Legg LA, et al. Randomised placebo-controlled trials of individualised
homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev 2014; 3: 142.
16. Mathie RT, Ramparsad N, Legg LA, et al. Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of
non-individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev 2017; 6(1):
63.
17. Sterne JA, Egger M, Smith GD. Systematic reviews in health care: Investigating and dealing with
publication and other biases in meta-analysis. BMJ 2001; 323(7304): 101-5.
18. Lau J, Ioannidis JP, Terrin N, Schmid CH, Olkin I. The case of the misleading funnel plot. BMJ
2006; 333(7568): 597-600.
6
19. Higgins JPT, Thomas J, Chandler J, et al., editors. Cochrane Handbook for systematic reviews of
interventions. 2. ed. Chichester: John Wiley & Sons; 2019.
20. Posadzki P, Alotaibi A, Ernst E. Adverse effects of homeopathy: a systematic review of published
case reports and case series. Int J Clin Pract 2012; 66(12): 1178-88.
21. Kwon HY, Lee H, Im JH, et al. Determinants of compliance of travelers with vaccination and
malaria prophylaxis at a travel clinic. J Korean Med Sci 2019; 34(33): e217.
22. Rodrigues KMP, Costa A, Santoro-Lopes G. Adherence to malaria prophylaxis among travelers
from a middle-income country. Rev Soc Bras Med Trop 2019; 52: e20190014.
23. Stub T, Musial F, Kristoffersen AA, Alraek T, Liu J. Adverse effects of homeopathy, what do we
know? A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Complement Ther Med
2016; 26: 146-63.
24. Frass M, Friehs H, Thallinger C, et al. Influence of adjunctive classical homeopathy on global
health status and subjective wellbeing in cancer patients - A pragmatic randomized controlled trial.
Complement Ther Med 2015; 23(3): 309-17.25. Macias-Cortes EC, Llanes-Gonzalez L, Aguilar-Faisal L, Asbun-Bojalil J. Individualized
homeopathic treatment and fluoxetine for moderate to severe depression in peri- and postmenopausal
women (HOMDEP-MENOP study): a randomized, double-dummy, double-blind, placebo-controlled
trial. PLoS One 2015; 10(3): e0118440.
26. Friese KH, Kruse S, Ludtke R, Moeller H. The homoeopathic treatment of otitis media in children -
comparisons with conventional therapy. Int J Clin Pharmacol Ther 1997; 35(7): 296-301.27. Riley D, Fischer M, Singh B, Haidvogl M, Heger M. Homeopathy and conventional medicine: an
outcomes study comparing effectiveness in a primary care setting. J Altern Complement Med 2001;
7(2): 149-59.
28. Haidvogl M, Riley DS, Heger M, et al. Homeopathic and conventional treatment for acute
respiratory and ear complaints: a comparative study on outcome in the primary care setting. BMC
Complement Altern Med 2007; 7: 7.
29. Schneider C, Schneider B, Hanisch J, van Haselen R. The role of a homoeopathic preparation
compared with conventional therapy in the treatment of injuries: an observational cohort study.
Complement Ther Med 2008; 16(1): 22-7.
30. Witt CM, Ludtke R, Willich SN. Homeopathic treatment of children with atopic eczema: a
prospective observational study with two years follow-up. Acta Derm Venereol 2009; 89(2): 182-3.
31. Pomposelli R, Piasere V, Andreoni C, et al. Observational study of homeopathic and conventional
therapies in patients with diabetic polyneuropathy. Homeopathy 2009; 98(1): 17-25.
32. Roll S, Reinhold T, Pach D, et al. Comparative effectiveness of homoeopathic vs. conventional
therapy in usual care of atopic eczema in children: long-term medical and economic outcomes. PLoS
One 2013; 8(1): e54973.
33. Rossignol M, Begaud B, Engel P, et al. Impact of physician preferences for homeopathic or
conventional medicines on patients with musculoskeletal disorders: results from the EPI3-MSD cohort.
Pharmacoepidemiol Drug Saf 2012; 21(10): 1093-101.
7
[*/quote*]
[Friese und Kruse markiert. Thymian]
[Frass markiert, Julian]