Einen Steigbügelhalter haben wir schon mal: den schon zur Genüge bekannten Friedrich Dellmour. Mit dem fahre ich auch noch mal Schlitten...
http://www.oegvh.at/images/pdf/WlkRezension.pdf[*quote*]
Rezension
Wölk, Melanie: Eminenz oder Evidenz: Die Homöopathie auf dem Prüfstand der Evidence based Medicine. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Abschlusses Master of Science im Universitätslehrgang Natural Medicine. Donau-Universität Krems, Department für Gesundheitswissenschaften und Biomedizin. Krems, Mai 2016.
Die Wiener Ärztin Dr. Melanie Wölk hat mit ihrer Masterarbeit die entscheidende Frage untersucht, ob die Homöopathie den Regeln der Evidence based Medicine (EbM) entspricht, oder ob tradiertes Erfahrungswissen, die Eminenz, vor der wissenschaftlichen Evidenz steht. Um die Beweisbarkeit und Wissenschaftlichkeit der Homöopathie einer Revision zu unterziehen, hat die Schulmedizinerin die Homöopathie auf den Prüfstand der EbM gestellt.
Dazu wurde die aktuelle Studienlage durch Literaturrecherchen ermittelt. Untersucht wurden alle aufgefundenen Metaanalysen und Reviews der Evidenzklasse Ia, alle zwischen Jänner 2010 und Februar 2016 publizierten randomisierten doppelblinden und kontrollierten klinischen Studien der Evidenzklasse Ib, der Schweizer HTA-Bericht 2006 und die Studie der Australischen Gesundheitsbehörde NHMRC 2015, sowie je zwei populäre Studien, die von Kritikern (Shang 2005, Ernst 2002) und Verteidigern (Frass Sepsisstudie 2005, Linde 1997) der Homöopathie häufig zitiert werden.
Forschungsfrage
Die Forschungsfrage lautete: Gibt es Studien mit Evidenzgrad Ia und Ib, welche die Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen? Nur wenn es derartige hochqualitative Studien gibt, darf die Homöopathie als evidenzbasierte Medizin bezeichnet werden. Das impliziert, dass aufgefundene positive Studien nicht auf weitere Qualitätsaspekte überprüft oder miteinander verglichen werden müssen, da sie den Qualitätsansprüchen der bestmöglichen Evidenzklassen bereits entsprechen und weitere Untersuchungen keine Relevanz in Bezug auf die Forschungsfrage haben.
Recherchen
Die Literaturrecherchen erfolgten in MEDLINE, PubMed und Cochrane Database of Systematic Reviews bzw. Cochrane Central Register of Controlled Trials und bildeten die ärztliche Nutzung der EbM ab. Ärzte haben in der Praxis kaum die Möglichkeit, in speziellen Datenbanken zu recherchieren. Aus diesem Grund wurden nicht elektronisch verfügbare Studien (lokale Journals) und Publikationen anderer Sprachen als Englisch und Deutsch als für den Praxisalltag ungeeignet ausgeschlossen. Gesucht wurden Metaanalysen und Reviews zur klinischen Forschung mit mindestens 5 RCTs, sowie randomisierte und durchgehend doppelblinde klinische Studien mit mindestens 2 Studienarmen im Vergleich mit Placebo oder einer aktiven Kontrolle mit einem nicht-homöopathischen Wirkstoff. Die Suche fand 9 Metaanalysen und Reviews (Ia: Kleijnen 1991, Cucherat 2000, McCarney 2004,
Altunc & Ernst 2007, Kassab 2009, Nuhn 2010, Davidson 2011, Mathie 2012 & 2014), wovon 4 Übersichtsarbeiten eine signifikante Wirkung der homöopathischen Therapie zeigen, 3 Reviews kein eindeutiges Ergebnis ergaben (positive und negative Teilergebnisse) und 2 Übersichtsarbeiten keine Wirksamkeit nachweisen konnten.
Von den 22 gefundenen randomisierten Doppelblindstudien (Ib) wiesen 11 Studien (50%) die Wirksamkeit der homöopathischen Therapie nach, 3 Studien fanden eingeschränkte Effekte der Homöopathie und in 8 Studien konnte keine Wirksamkeit belegt werden. Mehr als die Hälfte der in der Recherche gefundenen Studien wurden aufgrund der strengen Ein- und Ausschlusskriterien nicht bewertet, wobei eine deutliche Tendenz zu positiven Wirknachweisen erkennbar war, je kleiner und praxisnäher die Studien waren. Hätte keine Einschränkung auf Studien mit dem Evidenzgrad Ib bestanden, wäre das Ergebnis noch positiver ausgefallen.
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Der HTA-Bericht (positiv) und die NHMRC-Studie (negativ) kamen zu gegenteiligen Ergebnissen. Die vier populären Arbeiten kamen erwartungsgemäß ebenfalls zu gegenteiligen Ergebnissen und zeigten Stärken und Schwächen. Ob die Autoren qualifizierte Spezialisten sind oder aus anderen Fachgebieten stammen, hat offenbar einen Einfluss auf die Studienergebnisse. Jeder, der die Qualität einer Studie in Fragen stellen wollte, fand was er suchte. Die Aussagekraft von Übersichtsarbeiten sollte daher immer hinterfragt werden. Studienergebnisse werden offenbar nach Belieben interpretiert und jeder sieht nur das, was er sehen will: „Die persönliche Weltanschauung scheint gegenüber evidenzbasierten Argumenten immun zu sein.“
Ergebnisse
Die Homöopathie erfüllt alle Kriterien der EbM.
Die Wirksamkeit der homöopathischen Therapie kann in Metaanalysen und Reviews (Evidenzgrad Ia) und klinischen Studien (Evidenzgrad Ib), die dem Goldstandard der evidenzbasierten Medizin entsprechen, bewiesen werden.
Die Homöopathie ist eine evidenzbasierte Medizin.
Weitere Inhalte
Die Homöopathie ist sowohl eine Wissenschaft als auch Medizin.
Die für die Wissenschaftsdiskussion wichtigen Themen (Definitionen der Wissenschaft, Wissenschaft & Homöopathie, Medizin & Homöopathie, medizinische Grundlagen der EbM) werden übersichtlich dargestellt. Für die Medizin als Wissenschaft gilt, dass Erkenntnis überwiegend auf Erfahrung (Empirie) beruht. Das gilt auch für randomisierte Studien, die nur einen empirischen Nachweis der Wirksamkeit ermöglichen. Und das gilt für die klinische Erfahrung des Arztes, der darüber entscheiden muss, ob die vorhandene externe Evidenz (klinische Studien) für die Situation des Patienten geeignet ist oder andere Evidenzformen herangezogen werden.
Die Autorin fasst die Homöopathiediskussion zusammen: „Die nicht enden wollende Diskussion über die Existenzberechtigung der Homöopathie scheint nicht auf einer vorurteilsfreien und fairen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik zu beruhen, sondern ein irrationaler und höchst emotionaler Streit um Weltbilder zu sein.“
Ärztliche EbM
Die Masterarbeit stellt einen pragmatischen, ärztlichen Weg vor, wie EbM in der Praxis erfolgen kann. Dazu zählt die bewusste Einschränkung der Datenbanken, die gemeinsame Erfassung klinischer Studien mit klassischer Homöopathie, klinischer Homöopathie, Komplexhomöopathie und Isopathie, die begriffliche Gleichsetzung der Wirksamkeit der homöopathischen Therapie, homöopathischer Arzneimittel und der Homöopathie, sowie die praxisorientierte Aussage, dass signifikante Studienergebnisse die Wirksamkeit nachweisen und beweisen.
Diese einfache Methode unterscheidet sich wohltuend von großen Metaanalysen und HTAs, die nur akademischen Wissenschaftsdiskussionen dienen, für Ärzte aber kaum verständlich sind und für die klinische Alltagspraxis keinen raschen Wert bringen.
Erfreulich ist auch die vernünftige Entscheidung, keine weiteren Qualitätsbewertungen oder Vergleiche anzustellen, sobald Studien definierten Evidenzklassen entsprechen. Auch die renommierte Forscherin und Cochrane Mitarbeiterin Regina El Dib beschränkte sich bei ihrer Auswertung von 1016 Systematischen Cochrane Reviews auf die Erfassung positiver, negativer und [1] unklarer Ergebnisse und führte keine Qualitätsbewertung oder Bias-Abschätzung durch.
[1]
El Dib Regina P, Álvaro N Atallah, Regis B Andriolo:
Mapping the Cochrane evidence for decision making in health care.
Journal of Evaluation in Clinical Practice 13 (2007) 689-‐692.
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Die Autorin weist einen eleganten Weg durch das Dickicht endloser Evidenzdiskussionen, der den originalen Grundlagen der evidenzbasierten Medizin voll entspricht, von klinischer Erfahrung geleitet ist, den Patienten dient und sich nicht in praxisfernen Kontroversen verliert.
So geht EbM!
Friedrich Dellmour
2. Februar 2017
Korrespondenz
Ing. Dr. med. Friedrich Dellmour
Sängerhofgasse 19
A-2512 Tribuswinkel
dellmour@aon.at
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Eins ist ganz sicher:
So geht EbM ganz sicher nicht!