Aus der
Ärztlichen Praxis vom 23.10.07:
Britisches Gesundheitssystem dreht Alternativmedizin bereits den Geldhahn zu
Homöopathie weiter unter Beschuss
Nicht nur in Deutschland, auch andernorts bläst den Vertretern der Alternativmedizin, speziell der Homöopathie, mitunter heftiger Gegenwind ins Gesicht. Derzeit tobt der Streit in Großbritannien und auch in den USA besonders heftig.
In Großbritannien sind einige Einrichtungen, die sich auf homöopathische Verfahren spezialisiert haben, bereits in ihrere Existenz bedroht.
22.10.07 - Einzelne Primary Care Trusts, die für die Organisation der ambulanten Versorgung im staatlichen britischen "National Health Service" (NHS) zuständig sind, weigern sich mittlerweile, für homöopathische Leistungen aufzukommen. Dies hat dazu geführt, dass einige auf homöopathische Verfahren spezialisierte Einrichtungen bereits von der Schließung bedroht sind.
"Recht so", meint Prof. David Colquhoun, Pharmakologe am University College London, in einem Beitrag fürs "British Medical Journal". Er sieht keinen Grund zur Toleranz gegenüber "unbewiesenen oder widerlegten Therapieformen". Schützenhilfe bekommt er von Prof. Wallace Sampson, der an der Stanford University lehrt und die "Scientific Review of Alternative Medicine" herausgibt.
Wirknachweise fehelen
Ginge es nach Sampson, dürfte es auch für das US-amerikanische "National Center for Complementary and Alternative Medicine" (NCCAM) kein Geld mehr geben. "In den zehn Jahren seiner Existenz, nachdem 200 Millionen Dollar an Mitteln geflossen sind, hat es für keine einzige Alternativmethode einen Wirknachweis führen können", kritisiert er.
Es habe vielmehr Belege dafür gefunden, dass einige der Verfahren nicht funktionieren. "Aber das haben wir schon gewusst, bevor das NCCAM überhaupt gegründet worden ist." Das Fazit des Pharmakologen: "Solche Zustände werden auf dem Gebiet der Wissenschaft nicht oft toleriert."
Kontroverse auch in Deutschland
Und auch die homöopathischen Ärzte in Deutschland sehen sich Kritik ausgesetzt. Derzeit versuchen sie, eine Gegendarstellung beim ZDF zu erwirken. Der Sender hatte im September eine Sendung mit dem Titel "Die modernen Wunderheiler" ausgestrahlt. Die Homöopathie kam darin nicht gut weg, unter anderem hieß es: "In keiner wissenschaftlichen Studie waren die homöopathischen Mittel wirksamer als die Placebos."
Die Redaktion bezog sich dabei auf eine Studie von Prof. Matthias Egger (Bern) aus dem Jahr 2005, der die Wirkung von Homöopathika mit Placeboeffekten für ausreichend erklärbar hält.
Diese Aussage sei falsch, meint der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ). Seiner Forderung nach einer Gegendarstellung soll nun ein Anwalt nachhelfen. "Überzeugende Studien zur Homöopathie gibt es, sie müssen nur wahrgenommen werden", so der DZVhÄ. Als Beispiel führen die homöopathischen Ärzte an erster Stelle eine Metaanalyse von 89 verwendbaren Studien an, die vor zehn Jahren im "Lancet" erschienen ist.
Metaanalyse aus dem Jahr 1997 als Nachweis aufgeführt
PD Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung in München und Kollegen hatten damals geschrieben: "Die Resultate unserer Metaanalyse sind nicht mit der Hypothese vereinbar, wonach die Effekte der Homöopathie ganz und gar auf Placebowirkung zurückgeführt werden müssten." Allerdings hatten sie auch keine einzelne Indikation ausmachen können, in der sich die Homöopathie klar bewährt hätte.
In einem Brief an den "Lancet" hat sich Linde inzwischen auch mit der oben genannten Egger-Studie sowie deren Interpretation auseinandergesetzt, und zwar durchaus kritisch.
Zugleich beschwert er sich allerdings, auch seine eigene Arbeit sei falsch aufgefasst worden: "Unglücklicherweise ist unsere Metaanalyse aus dem Jahr 1997 von Homöopathen als Nachweis dafür missbraucht worden, dass ihre Therapie als bewiesen gelten könne." Es ist daher zumindest fraglich, ob Linde über seine Rolle als Kronzeuge des DZVhÄ besonders glücklich ist.
rb
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_homepage_aktuell_homoeopathie_1193044824.htm