Ich glaub, hier bin ich richtig. Falls nicht, schiebt es in ein anderes Forum.
Grenzenlose Schirmherrschaften
Ist politische Protektion von esoterischem Humbug verantwortbar?Die Zeitschrift „Grenzenlos
Seit 1994 gibt es das esoterische Anzeigenblättchen „Grenzenlos“, die
„Zeitschrift für ganzheitliches Leben“ >>>
http://www.grenzenlos.net/ Erstmals war mir „Grenzenlos“ 2003 aufgefallen, als ich darin einen
Veranstaltungshinweis von einer Gruppierung aus der Szene rechtsextremer
Verschwörungstheoretiker fand. Die „Aufklärungsarbeit“ >>>
http://www.aufklaerungsarbeit.de/warb für einen Vortrag von Jo Conrad >>>
http://de.wikipedia.org/wiki/Jo_ConradHerausgeber und Verleger von „Grenzenlos“ ist Roland Häke aus dem
pfälzischen Frohnhofen, in der Nähe vom saarländischen St. Wendel. Die
Gazette erschien zunächst monatlich, dann zweimonatlich und kommt jetzt
halbjährlich heraus; aktuell in einer Auflage von 250 000 Exemplaren.
Die Hefte werden bundesweit gratis über mehr als 1400 registrierte
Verteilstellen an die Leser gebracht:
http://www.grenzenlos.net/Verteiler/verteilerindex.htmDer Inhalt von „Grenzenlos“ besteht überwiegend aus Werbung, in Form
von gewerblichen Inseraten und Kleinanzeigen, aus den weit verzweigten
Bereichen der Esoterik und der Paramedizin
(
http://www.gwup.org/themen/texte/paramedizin/). Diese Angebote lassen
teilweise deutlich an Seriosität zu wünschen übrig. Die in „Grenzenlos“
enthaltenen Artikel behandeln durchgehend unkritisch esoterische und
paramedizinische Angebote und lesen sich häufig wie Pressemeldungen der
entsprechenden Anbieter. Der weitere Inhalt der Gazette ist den
„Grenzenlos-Messen“ gewidmet. Dazu werden Ausstellerverzeichnisse und
Programme abgedruckt.
Die „Grenzenlos-Messen“
Seit einigen Jahren veranstaltet Roland Häke „Grenzenlos-Messen“. Da
geht es um „Ökologie, Gesundheit, Ernährung, Heilen“. Dies alles
natürlich „ganzheitlich“ und mit der kompletten Palette der esoterischen
und paramedizinischen Phraseologie. „Grenzenlos-Messen“ finden
inzwischen alljährlich in Bosen am Bostalsee, Saarbrücken, Hockenheim
und Hofheim am Taunus statt.
Unter dem Motto „Neue Wege zu mehr Gesundheit“ fand am 15. und 16.
September 2007 bereits zum drittenmal die „Grenzenlos-Messe“ in der
Stadthalle in Hofheim am Taunus statt. Das Angebotsspektrum, von den
Messeständen über Vorträge bis hin zu Seminaren deckt sich größtenteils
mit den Inhalten des Anzeigenblattes. Ich habe hier eine Reihe von
Stichworten daraus aufgegriffen:
Energieschmuck - Energie-Essenzen – Nullpunktenergiesteine –
Klangmassagen – Annapurna - Feng Shui – Kinotakara - Energie- und
Lichtarbeit - Aura-Chakren - Synergie aus Licht und Magnetfeld –
Magnetfeldmatte – Geistheilung – Imaginationstherapie –
Reinkarnationstherapie – Astrologie - Centrum der Kraft – Shiatsu –
Phonophorese – Channeling - Power Managerpille - Pendel und Ruten –
Biomeditation – Biosens – Energiefeldaufnahmen - Zell-Energie-Konzept -
Fitline-Nahrungsoptimierung – Wirbelsäulenbegradigung –
Reflexzonentabelle - Esoterische Lebensberatung – Kartenlegen – Hypnose
– Rückführung – Heilsteine - Spirituelles Mentoring – Jenseitskontakte -
PSI-Heilinstitut - Heilung durch Kristalle – Fernbehandlungen –
Faltenbügeleisen - Dunkelfeld-Mikroskopie-Diagnose – Ayurveda –
Energiepyramiden – Lichtwesen – Aurafotografie – Engelessenzen –
Bioenergetik – Reiki – Reflexologie – Handauflegen – Biotransmitter -
Christian Science – Geomantie – Klopfakupunktur – Erdheilung -
Aprikosenkerne aus dem – Himalaja – Kristallsalz – Homöopathie -
Karma-Reinigung - Neue Energie des St. Germain - Synergetik-Therapie -
Deeksha-Energie - Aura-Kamera – Druidentachyonen – Handlesen –
Nahrungsergänzungen - Energiedrink TattiRo - Geheimnis der Noni -
Heilung durch Schwingungsübertragungen - Mitteilungen aus anderen
Dimensionen - Neue Medizin - Schammanische Trommeln - Heilsame Kristalle
- Schamanische Energiekörperarbeit – Satsang - Mediale Durchsagen – Der
Weg ins Licht – Alchemie – Lemurisches – Magnetfeldanwendung -
Peruanische Schamanen
Hier offenbart sich ein haarsträubendes Konglomerat von Scharlatanerie,
Quacksalberei, kommerzieller Esoterik und pseudowissenschaftlichem
Humbug. Es gibt einige Aussteller, die ich nicht dazu rechnen möchte,
z.B. den Schreiner mit seinen Wohlfühl-Bettgestellen.
Vereinzelt waren die Angebote aber auch sehr bedenklich. Zum Beispiel
ein Ausstellungsstand und Vortrag aus dem Dunstkreis von „Christian
Science“, einer Sekte, die Kranken abrät, sich in ärztliche Behandlung
zu begeben. Sie kennt nur einen Heiler, Jesus Christus. Auch die
Synergetik-Therapie von Bernd Joschko
(
http://esowatch.com/index.php/Bernd_Joschko) sollte man nur mit größter
Vorsicht genießen. Sie beruht zu nicht unerheblichen Teilen auf der
gefährlichen Irrlehre der Neuen Medizin (Germanische Neue Medizin) des
mehrfach vorbestraften, ehemaligen Arztes Ryke Geerd Hamer.
Das Besondere an dieser Messe war die Tatsache, dass hier die
Bürgermeisterin von Hofheim, Gisela Stang (SPD), als Schirmherrin
fungierte. Sie hielt laut Programm sogar die Eröffnungsrede. In Ihrem
Grußwort, das auch in „Grenzenlos“ veröffentlich wurde, bezieht sie sich
auf Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die für einen größeren
Stellenwert alternativer Heilmethoden in der Medizin eintritt:
http://www.journalmed.de/newsview.php?id=17176Es ist allerdings fraglich, ob die Bundesgesundheitsministerin
solcherlei „Medizin“ gemeint hat, wie sie auf der „Grenzenlos-Messe“ in
Hofheim dargeboten wurde. Was da ablief, hat nämlich mit seriöser,
wissenschaftlich fundierter Medizin, die heute selbstverständlich auch
erwiesene Erfahrungen der Naturheilkunde mit einbezieht, nichts mehr zu
tun. Da klingt die Bemerkung von Frau Stang: „Vielleicht ist nicht
alles, was auf der Messe angeboten wird, streng ‚wissenschaftlich
erwiesen’ und manches bewegt sich vielleicht jenseits der
Schulmedizin.“, doch etwa befremdend.
Entweder hat die Frau Bürgermeisterin sich die Angebote nur extrem
oberflächlich angeschaut, oder einige Jahrhunderte der Aufklärung
scheinen an ihr spurlos vorübergegangen zu sein. Herr Häke bewirbt
indessen im Internet bereits die nächste Hofheimer „Grenzenlos-Messe“ im
September 2008:
http://www.hofheim.grenzenlos-messe.net/Begegnung mit „Heilern“ im Saarland
Am 20. und 21. Oktober präsentiert sich „Grenzenlos“ mit seiner Messe in
der Congresshalle in Saarbrücken:
http://www.sb.grenzenlos-messe.net/Messebelegung und Programm zeigen Gleiches wie in Hofheim. Besonderheit
dieser Messe ist die Sonderveranstaltung „Heilern begegnen“, bei der es
ausschließlich um „Geistiges Heilen“ geht. Die Veranstaltung läuft zu
Gunsten einer Stiftung „Auswege - Therapeutische Auswege für chronisch
kranke Kinder“. Im Rahmen der, „von dem Psychologen und Philosophen Dr.
Harald Wiesendanger im Sommer 2005 gegründete Stiftung“ sollen „Auswege“
… „im breiten Spektrum ‚komplementärer’ Therapieformen, einschließlich
Geistigen Heilens - eine Behandlungsweise, die schon vor ca. 2000 Jesus
Christus praktizierte“, eröffnet werden. Hier dreht es sich immerhin um
kranke Kinder. Da sollte man etwas genauer hinschauen. Kranke Kinder als
Versuchsobjekte für solchen unwissenschaftlichen Humbug zu verwenden
würde zu Recht von jeder seriösen Ethikkommission abgelehnt werden.
Am 10. und 11. November folgt die „Grenzenlos-Messe“ in Bosen am
Bostalsee:
http://www.bosen.grenzenlos-messe.net/unter dem Motto „Welt der Gesundheit am Bostalsee“. Es zeichnet sich das
gleiche Bild ab, wie bei den anderen Messen. Schirmherr ist hier der
Bürgermeister der Gemeinde Nohfelden, Andreas Veit (CDU). Sein Grußwort
zu der Veranstaltung fällt kurz und schmerzlos aus. Wie eben von einem
Bürgermeister, der sich nicht damit allzu sehr identifizieren kann, aber
trotzdem froh ist, dass die Eventhalle für dieses Wochenende vermieten
werden konnte. Da schreibt man auch gerne mal ein paar unverfängliche,
nette Zeilen. Der Rückblick auf die erste Messe im vergangenen Jahr
zeigt, dass es hier noch vorwiegend saarländisch zuging: Die Ernährung
stand im Mittelpunkt. Natürlich vollwertig, versteht sich. In diesem
Jahr weist der Trend jedoch eindeutig mehr auf eine verkappte
Esoterik-Messe hin.
2008 weiter in Hockenheim
Einen Ausblick auf das nächste Jahr, mit ähnlichen Angeboten wie bei den
Messen oben, weist der Trend: Hofheim, Saarbrücken und Bosen sind wieder
dabei. Den Anfang macht die „Grenzenlos-Messe“ am 24. und 25. Mai 2008
in der Stadthalle in Hockenheim:
http://www.hockenheim.grenzenlos-messe.net/index.htmDie Belegung steht erst in den Anfängen, aber man kann wohl sicher sein,
dass sich hier wieder einiges an Irrationalität zusammenbrauen wird. Die
Imkerin mit dem echten Biohonig möge mir die verallgemeinernde
Einschätzung verzeihen.
Der Schirmherr dieser Messe, Oberbürgermeister Dieter Gummer (SPD), hat
auch schon sein Grußwort dazu geschrieben:
http://www.hockenheim.grenzenlos-messe.net/grusswort.htmHerr Gummer bezieht sich, wie seine Amtskollegin in Hofheim am Taunus,
ebenfalls auf die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Allem
Anschein nach hat sich Herr Gummer auch noch nicht mit diesem
merkwürdigen Sammelsurium dubioser Angebote befasst, obwohl er schon in
2006 als Schirmherr genannt wurde.
Folgt man den durchweg kritiklosen Presseberichten aus der Region, dann
war die erste „Grenzenlos-Messe“ im vergangen Jahr ein voller Erfolg.
http://www.hockenheim.grenzenlos-messe.net/presseberichte.htmDie Eröffnungsrede hielt Bürgermeister Werner Zimmermann als Vertreter
des Oberbürgermeisters. Laut „Hockenheimer Tageszeitung“ gehört nach
Auffassung des Geschäftsführers der Stadthalle, Walter Rettl: "Ein
bisschen Hokuspokus, ein bisschen Zauberei" auch zur „Grenzenlos-Messe“.
Was für einen Hokuspokus Herr Rettl auch immer damit gemeint haben mag,
„ein bisschen“ dürfte etwas untertrieben sein. Vielleicht empfiehlt es
sich, dass man im Mai 2008 in der Hockenheimer Stadthalle bei Harry
Potter Hausratsversicherungen gegen Poltergeist-Schäden abschließen
kann. Ist nur mal so ein Tipp für ganzheitliche orientierte
Versicherungsvertreter.
Ist politische Protektion verantwortbar?
Es ist klar, dass solche Messen, wie sie Roland Häke gewerbsmäßig
organisiert, zu unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und
Marktwirtschaft gehören. Der Markt will das so und die Kunden sind da.
Jeder Erwachsene mag selbst bestimmen, wofür er sich sein Geld aus der
Tasche ziehen lässt. Auch ist die Inanspruchnahme von kommunalen
Veranstaltungsräumen für solche Zwecke nichts Außergewöhnliches. In
Stadthallen finden ebenso Erotik-Messen mit pornographischen Inhalten
sowie Kongresse der unmöglichsten Art statt. Nur sollte man sich fragen,
wieso führende Kommunalpolitiker für verkappt Esoterik-Messen unbedingt
die Schirmherrschaften übernehmen müssen.
Zwar mag der überwiegende Anteil der Aussteller unbedenklich sein, da
sie nur pseudowissenschaftlichen Unsinn im Wellness-Bereich vertreiben.
Weitaus bedenklicher sind allerdings die ebenfalls auf der Veranstaltung
anwesenden
Aussteller, die auf ihren Internet-Seiten mit offensichtlich
unerfüllbaren Heilsversprechen werben und damit eine Gefahr für
ernsthaft Kranke werden können. Hier liegen die verhängnisvollen
Stolperfallen der sogenannten Alternativmedizin und des in seinem
Dunstkreis agierenden Psychomarktes versteckt. Insbesondere die
Vermischung von unbedenklichen und bedenklichen Angeboten macht es den
Besuchern einer solchen Veranstaltung nicht leicht, Letztere zu
erkennen.
Ich halte es daher für unverantwortlich, dass führende Kommunalpolitiker
für eine solche Veranstaltung auch noch als Schirmherren auftreten und
damit der Veranstaltung, und somit indirekt auch allen Ausstellern, eine
nicht vorhandene Seriosität bescheinigen. Öffentliche Kritik, so wie sie
hier von mir vorgebracht wird, kommt in der Regel erst dann, wenn
bereits ein Schaden eingetreten ist, wenn das Kind schon Brunnen liegt.
Die Schirmherrinnen und -herren machen sich hier unter Umständen
moralisch mit schuldig. Auf jeden Fall tragen sie bereits im Voraus die
politische Verantwortung.
Brights Deutschland
Task Force Quackwatch
http://www.forum.brights-deutschland.de/phpBB3/viewforum.php?f=35