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Willibald Alexis
Der Neue Pitaval
Inhalt
Willibald Alexis
Hans Kohlhase und die Minckwitz'sche Fehde.1528-1540.
Ein Criminalproceß, der zu Romanen und Dramen den Stoff geliefert hat und zu Volksschriften verarbeitet worden ist, pflegt gewöhnlich ein hohes, rein menschliches Interesse schon in seinem geschichtlichen Verlaufe zu gewähren. Durch die poetische Gestaltung und durch die romanhaften Ausschmückungen wird jedoch in der Regel die zu Grunde liegende historische Wahrheit so verwischt, daß zuletzt nicht viel mehr übrigbleibt als eine Mythe, deren Held im Volksmunde so fortlebt, wie die Dichter ihn geschildert haben. So ist es gewesen vom Bairischen Hiesel hinauf bis zu Don Carlos oder der schottischen Maria. So war es auch mit der Geschichte vom Kohlhas, dem angeblichen Roßkamme, deren erste ausführliche Bearbeitung in das Jahr 1805 fällt und Heinrich von Kleist, den Dichter des »Käthchen von Heilbronn«, zum Verfasser hat. Ludwig Tieck, der Herausgeber von Kleist's SchriftenHeinrich von Kleist's ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Ludwig Tieck (Bd. 1, Berlin 1846).), sagt darüber: »Der Erzähler ist von der wirklichen Geschichte, sei es geflissentlich, sei es aus Unkenntniß, merklich abgewichen; auch hat er die Umgebung zu sehr verletzt. Er vergißt, daß WittenbergWittenberg führte seit Friedrich dem Streitbaren bis zur Schlacht bei Mühlberg 1547 nur noch den Titel einer Residenz der sächsischen Kurfürsten Ernestinischer Linie, die Hauptresidenz derselben war damals Weimar. und nicht Dresden die Residenz der sächsischen Kurfürsten war. Dresden schildert er uns ganz nach seiner jetzigen Gestalt, und was soll man zu dem Kurfürsten selber sagen, der uns als ein romantischer, verliebter und seltsamer Phantast aufgeführt wird, da es doch nur Friedrich der Weise oder der StandhafteHierin irrt sich Tieck. Der Rahmen der Geschichte beginnt mit dem 1. Oktober 1532 und endigt mit dem 22. März 1540. Friedrich der Weise war bereits 1525 gestorben. Johann der Beständige, sein Nachfolger, war auch bereits am 16. August 1532 mit Tode abgegangen; es ist daher des letztern Nachfolger, Johann Friedrich der Großmüthige, derjenige sächsische Kurfürst, welcher zur Zeit dieser Begebenheit regierte und handelnd in derselben auftrat. sein können, die in den Umfang dieser Erzählung passen. – Phantasterei und übernatürliches gespenstisches Beiwerk charakterisiren die Erzählung als einen historischen Roman, dessen historische Basis ganz und gar verrückt und unrichtig ist.«
Dieses Urtheil scheint uns noch sehr mild. Wir möchten, ohne im übrigen der Erzählung als Roman ihren Werth und ihre Mustergültigkeit bestreiten zu wollen, die Bezeichnung »historisch« gänzlich gestrichen wissen, denn es ist in derselben fast alles und nach jeder Richtung hin falsch und unhistorisch.
Und doch ist dieser Roman, dessen Lektüre wir übrigens schon der Vergleichung halber, und um zu sehen, wie zuweilen Geschichte gemacht wird, empfehlen, zur Quelle für alle spätern Dichter und zahlreichen Erzähler, ja selbst für Conversationslexika, und somit auch für das Publikum geworden. Erst einem Historiker der Neuzeit, dem großherzoglich sächsischen Archivrath Dr. C. A. H. Burkhardt in Weimar, ist es vorbehalten gewesen, den wirklichen historischen Kohlhase darzustellen.Der historische Hans Kohlhase und Heinrich von Kleist's Michael Kohlhaas. Nach neu aufgefundenen Quellen dargestellt von Dr.C.A.H. Burkhardt, großherzoglich sächsischem Archivar bei dem Geh. Staatsarchive und gemeinschaftlicher Archivar am sächsischen Ernestinischen Gesammtarchive zu Weimar. (Leipzig, F.E.H. Vogel, 1864.)
Die Geschichte des Kohlhase und seines Processes darf aber im »Pitaval« nicht fehlen, denn sie gehört zu den Typen einer hochbewegten Zeit, und, auch des Romanhaften entkleidet und actenmäßig dargestellt, enthält sie des Denk- und Merkwürdigen, ja des Romantischen viel. Wir geben sie selbstverständlich im wesentlichen gestützt auf die ebenbezeichnete Quelle, aber mit denjenigen Erläuterungen, die wir für nothwendig halten, und mit Ergänzungen, die wir zum Theil den Nachweisen des genannten Autors selbst verdanken.
Auch ohne specielle Widerlegung ergibt sich daraus, daß in den zahlreichen romanhaften Erzählungen fast alles unwahr ist, sogar bis auf Namen und Herkunft des Helden.
In der Zeit, in welcher sich unsere Geschichte abspielt, dehnten sich die Grenzen des Kurstaates Sachsen bis tief hinein in die heutige Provinz Brandenburg; einzelne Spitzen und Exclaven näherten sich bis auf wenige Stunden Wegs den Thoren der Städte Potsdam und Brandenburg; Belitz und Treuenbrietzen waren brandenburgische Grenzstädte. Von Berlin zog sich die große Heerstraße über Potsdam, Treuenbrietzen, Wittenberg, Düben nach Leipzig, dem schon damals weitberühmten und vielbesuchten Handels- und Meßplatze.
Man darf aber nicht an die Kunststraßen der heutigen Tage denken, die zum großen Theil erst dem Anfange dieses Jahrhunderts ihre Entstehung verdanken. Für die Heerstraße war eben nur der Platz vorhanden; ein Unterbau oder eine Wegebesserung existirte nicht. Jeder mochte sehen, wie er auf solchen Straßen, die großentheils in tiefeingeschnittenen Hohlwegen bestanden, jedenfalls aber bei schlimmem Wetter grundlos verschlemmt, bei gutem wenigstens mit unendlichem Staub angefüllt waren, fortkommen konnte. Mit besondern Schwierigkeiten war natürlich der Gütertransport verbunden. Nur wenige Stunden Wegs vermochte der mit vier oder sechs Gäulen bespannte Lastwagen täglich zurückzulegen. Monatelang lag solcher Gütertransport auf der Landstraße, und der Kaufmann hatte von Glück zu sagen, wenn die Waaren unversehrt den Ort ihrer Bestimmung erreichten. Abgesehen von den Zöllen und Abgaben, welche die Herren, deren Gebiet sie passirten, in Anspruch nahmen und oft genug gewaltsam erpreßten, lauerten in den Wäldern nicht selten Schnapphähne adelichen und bürgerlichen Geblütes dem Transport auf, um ihn nach Niederwerfung der Führer und Knechte als gute Beute fortzuführen. Reisende aller Art, auch die Kaufleute, machten ihre Reisen bis an die Zähne bewaffnet und großentheils zu Pferd.
Zwischen Düben und Delitzsch an der Landstraße lag und liegt heute noch ein Dorf Wellauna, auf dem der Junker Günther von Zaschwitz als Erb-, Lehn- und Gerichtsherr saß. Vor dem Kruge dieses Orts hielt am 1. October 1532 gegen Abend ein Reisender zu Pferd, der einen Truuk begehrte und dann seine Reise der einbrechenden Nacht ungeachtet fortsetzen wollte. Es war ein Mann in den dreißiger Jahren, von gedrungener Gestalt, in der Kleidung vielleicht etwas unansehnlich, aber wohlbewaffnet. Er ritt einen edeln Rappen mit reicher Zäumung, aus dessen Halftern ein Faustrohr mit dem Kolben hervorschaute, und führte noch außerdem einen Rothschimmel, auf dem der Futtersack lag, neben sich her an der Leine.
Im Kruge saßen die Bauern beim Abendtrunke. Sie traten neugierig heraus und fragten den Reiter nach Namen, Herkunft und Ziel der Reise; denn der Fremde hatte nicht nur ihre Neugier, sondern noch mehr ihren Verdacht erregt, zumal er nicht im Orte Herberge nehmen, sondern in der Nacht, die keines ehrlichen Menschen Freund ist, weiter reiten wollte. Hans Kohlhase, denn das war der fremde Reiter, war ein Mann von etwas trotziger Art. Er antwortete kurz: »Was geht's euch an?« Die Bauern beriefen sich auf ihres Herrn Junkers Befehl, jeden anzuhalten, der ihnen verdächtig scheine, und verlangten insbesondere Auskunft, woher Kohlhase die Pferde habe, denn deren Besitz erschien ihnen sehr verdächtig. Ein Wort gab das andere, zuletzt beschuldigten sie den Reisenden geradezu des Diebstahls an den Rossen. Das war für Kohlhase zu viel. Wüthend schwang er sich vom Pferde herunter, zerbläute den Bauer, der ihm diese Schmach ins Gesicht geschleudert, mit seinen Fäusten den Kopf, zog dann den Dolch und stürzte auf die Rotte ein, aber – er mußte der Uebermacht weichen, die Bauern bemächtigten sich seiner Pferde, führten sie im Triumph in den Stall des Dorfrichters, und er sah sich, um schwerern Mishandlungen und der Gefangenschaft auszuweichen, genöthigt, zu Fuß die Flucht zu ergreifen.
Hans Kohlhase war ein wohlbeleumundeter, ziemlich begüterter, seinem Kurfürsten in Ehren bekannter Kaufmann zu Cölln an der Spree, dem heutigentages der Kaiserstadt vollständig einverleibten Theile Berlins. Er handelte mit Honig, Speck und Heringen, und hatte diese seine Meßgüter unter sicherm Geleite voraus nach Leipzig gehen lassen, um die dasige Messe zu beziehen. Er selbst war allein nachgereist, um unterwegs noch hier und da Geschäfte zu machen, namentlich Forderungen einzuziehen. Er war ein heller Kopf, bewandert und schlagfertig in Rede und Schrift, einige Kenntniß vom Latein gab ihm sogar einen Anstrich von Gelehrsamkeit, sodaß er zu den Gebildeten seiner Zeit zählte.
Er eilte zu Fuß nach Leipzig. Sei es nun, daß er infolge der Fußreise dort zu spät ankam, sei es, daß andere Ursachen daran schuld waren, genug, er machte schlechte Geschäfte, mußte seine Waaren um jeden Preis losschlagen und kehrte gegen die Mitte October nach Wellauna zurück, versehen mit einem Schreiben von Hans Blumentrost zu Leipzig, in welchem er als »frommer, ehrlicher Kaufmann von gutem Handel und Gerücht« mit der Bitte an den sächsischen Landvogt empfohlen wurde, dem gekränkten, mit Stock und Banden bedrohten Manne Recht zu verschaffen.
Der Junker von Zaschwitz konnte die Auslieferung der weggenommenen Pferde nicht verweigern, stellte aber die Bedingung, daß Kohlhase das Futtergeld für dieselben im Betrage von fünf bis sechs Groschen an seinen Dorfrichter erstatten solle. Dieses Ansinnen wies Kohlhase mit Entschiedenheit zurück. Er verlangte, daß ihm die gewaltsam und unrechtmäßigerweise weggenommenen Gäule kostenfrei zurückgegeben würden, und begab sich, als ihm dies nicht gewährt wurde, mit Zurücklassung der Pferde im hohem Grade aufgebracht in seine Heimat.
Ein Unglück kommt aber selten allein, seine Vermögensverhältnisse waren zerrüttet, er vermochte seinen Verbindlichkeiten nicht nachzukommen, sein Credit war erschüttert, und infolge dessen und des Andrängens seiner Gläubiger sah er sich genöthigt, ihnen seine gesammte Habe abzutreten. Daß an diesem Unglücke die Vorfälle in Wellauna einige Schuld trugen, ist wol kaum zu bezweifeln, jedenfalls sah Kohlhase den Junker von Zaschwitz als die alleinige Quelle seines Unfalls an und warf auf diesen seinen ganzen Haß. Er wandte sich mit einer Beschwerde zunächst an seinen Landesherrn, den Kurfürsten Joachim I. (genannt Nestor) von Brandenburg, und durch dessen Vermittlung wurde auf den 13. Mai 1533 ein Gerichtstag in Düben anberaumt. Hier erschienen die Parteien in Person. Es kam aber ein Vergleich nicht zu Stande. Kohlhase forderte Ehrenerklärung in Betreff des ihm schuld gegebenen Diebstahls der Pferde, Erstattung des doppelten Werthes derselben und 150 Gulden Schadenersatz; von Zaschwitz verstand sich zu gar nichts. Er verlangte vielmehr noch 12 Gulden halbjähriges Futtergeld für die Pferde, die inzwischen abgetrieben und bis zum Skelet abgemagert waren. Kohlhase nahm sie, vorbehaltlich seiner Ansprüche und der Klagerhebung im Amte Bitterfeld, auf Zureden des Landvogts um die Taxe von 12 Gulden an. Aber schon tags darauf verendete der Rothschimmel.
Im Juli reichte Kohlhase an den Kurfürsten von Sachsen ein Schreiben ein, in welchem er in gemäßigter Sprache sein erlittenes Unrecht vorstellte. Infolge dessen wurden der Landvogt in Wittenberg und Hieronymus Schurf beauftragt, aufs neue Gerichtstage anzuberaumen. Der Junker fand sich indeß nicht ein und bestand auf Bezahlung des Futtergeldes. Er lehnte jede Entschädigung ab und legte dem weitern Vorgehen Kohlhase's gehässige Motive unter. Selbst als Kohlhase auf Zureden des Landvogts seine Entschädigungsforderung bis auf 4 Gulden ermäßigt hatte, weigerte sich der Junker hartnäckig, auch diese geringe Summe zu zahlen.
Noch einmal, am 15. Februar 1534, erschien Kohlhase vor dem Landvogte zu Wittenberg, um sich nach dem Stande seiner Angelegenheit zu erkundigen. Als er aber von diesem erfuhr, daß Zaschwitz auf keinen Vergleichsvorschlag eingegangen sei, war das Maß seiner Geduld erschöpft. Er erließ bald darauf seinen berühmten Fehdebrief, datirt vom Tage »Schlag zu«, welcher die ihm angethane Unbill und die Unmöglichkeit schilderte, gegen den Junker Recht zu bekommen, und mit den Worten schloß:
»Weil ich nun nichts mehr als meinen Leib und mein Leben vorzusetzen habe, so will sich gebühren, daß ich meine Ehre und meinen Glimpf, wie das einem Ehrliebenden zusteht, zur Nothdurft vertheidige; ich will aller Welt List und Behändigkeit gebrauchen, will sein Gottes und aller Welt Freund, allein Günther von Zaschwitz und dem ganzen Land zu Sachsen abgesagter Feind, wo ich sie bekomme, an Händen und Füßen lähmen, auch rauben und brennen, sie hinwegführen und schätzen, bis mir Günther von Zaschwitz Abtrag thut, und meinen Schaden, so ich allenthalben darüber genommen, zur Billigkeit erstattet.«
Dieser Absage- und Fehdebrief wurde schriftlich vervielfältigt und verschiedenen Orten in Kursachsen zugestellt.
Wie man sieht, war unserm cöllner Kaufmann nicht allein das Ritual des Faust- und Fehderechts, sondern auch die Befugniß wohlbekannt, vermöge deren auf Grund des Faustrechts Selbsthülfe zum Schutze eines Rechts unter gewissen Formen und BedingungenDieses Fehde- oder Faustrecht bestand keineswegs in einem gesetzlich anerkannten Rechte des Stärkern über den Schwächern an sich, obwol es durch den Misbrauch häufig dahin ausartete.
In der Zeit, von welcher hier die Rede ist, mußte unter anderm jeder Fehde eine offene Ankündigung derselben (diffidatio) und zwar drei Tage vor dem Beginn vorausgehen. Besonders befriedet und bei der Fehde zu verschonen waren: Geistliche, Kindbetterinnen, schwere Kranke, Pilger, Kaufleute und Fuhrleute mit ihren Waaren und Frachtgütern, der Ackermann außer dem Hause mit seinem Feldgeräthe, sowie er selbst während der Feldgeschäfte, insbesondere aber Kirchen und Kirchhöfe; auch sollte nach den Kirchengesetzen und bei Vermeidung von Kirchenstrafen vier Tage in jeder Woche, von Mittwoch Abend bis Montag früh, jede Fehde ruhen. ausgeübt werden konnte, wenn man durch die Gerichte Hülfe zu erlangen nicht vermochte.
Zwar hatte der auf dem Reichstage zu Worms im Jahre 1495 zu Stande gekommene sogenannte Landfrieden verordnet, daß jeder fortan sein Recht nur vor dem Richter suchen solle, und das Fehderecht im ganzen Reiche unter Androhung der Todesstrafe für den Friedensbrecher aufgehoben; allein bis zu der Zeit, in welcher diese Begebenheit sich zugetragen, mußte jenes Reichsgesetz auf den Reichstagen siebenmal bestätigt und eingeschärft werden, weil seiner niemand achtete, weil insonderheit den Gerichten theils die Macht, theils der gute Wille fehlte, einen Rechtsspruch namentlich gegen Mächtige und Vornehme in Vollzug zu setzen, sodaß selbst noch viele Jahre nach Erlaß der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl's V., die in demselben Jahre publicirt wurde, in welchem Kohlhase in Wellauna um seine Pferde kam, namentlich zwischen Reichsunmittelbaren blutige Fehden im Schwange gingen, ohne daß man an eine Bestrafung der Landfriedensbrecher dachte. Die Reichsgesetze waren ihnen gegenüber um so machtloser, als auch die Rechtsanschauung im Volke in dieser Selbsthülfe etwas Strafbares nicht erblickte, bis endlich der Einfluß steigender Cultur und kräftiger Entwicklung der Territorialmacht sowie der richterlichen Unabhängigkeit dem Unwesen nach und nach ein Ende machte.
Der Kaufmann Kohlhase hatte also in aller Form des Fehderechts dem Kurstaate Sachsen den Krieg erklärt. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Kunde. Aber sie erregte nicht etwa blos ein Lächeln und mitleidiges Achselzucken, sondern Furcht und Schrecken in vielen Orten des Sachsenlandes. Dem Junker namentlich wurde es heiß, denn er wußte, daß Kohlhase's Drohung, ihn mit »Feuerkohle« zu suchen und ihn mit sammt seinem Schlosse zu verbrennen, sehr ernstlich gemeint war. Auch an den Landvogt in Wittenberg war der Fehdebrief gelangt und noch ein besonderes Schreiben dazu, in welchem gesagt wurde, daß der Schreiber »aus seinen Klöppern Pferde machen wolle«. Alles war auf seiner Hut. Die Städte des Sachsenlandes besetzten die Thorthürme mit Spähern, verstärkten die Wachen, hielten die Thore bei Nachtzeit fest verschlossen und ließen keinen Mann, der verdächtig war, einpassiren. Der Landvogt von Wittenberg schickte einen Eilboten nach Berlin, um dem Kurfürsten Joachim des Kohlhasen Unternehmen zu melden und Rechtshülfe zu erbitten, das alles unter Hinweis darauf, daß ja der Kurfürst von Sachsen die Forderung habe untersuchen wollen, und daß die Sache »nur ins Vergessen« gekommen sei.
Joachim fertigte den Boten nach fünf Tagen mit der Antwort ab, daß der Kurfürst gegen Kohlhase, weil dieser sein Bürgerrecht aufgegeben, nichts unternehmen könne, daß er zur Rechtshülfe auch nicht verpflichtet sei, weil der Erbeinigungsvertrag seit Johann's des Beständigen Tod nicht beschworen sei. Schließlich trat Joachim fast geradezu auf die Seite des Friedensbrechers, indem er erklärte: »Es ist fast also, wie der Kohlhase schreibt, daß er durch sächsische Justiz um seinen Glauben und ins Verderben gekommen ist.«
Man muß sich dabei erinnern, daß JoachimDieser Kurfürst war es bekanntlich, der dem Raubritterwesen in den Marken mit eiserner Faust ein Ende machte, die Raubritter, wenn sie in seine Hände fielen, ohne Ansehen der Person hinrichten und ihre Raubnester belagern und zerstören ließ. »Jochimken hüte di, wenn wir di kriegen, hängen wir di«, höhnten dafür die märkischen Junker, ohne daß sich der Kurfürst durch diese rachgierige Drohung irremachen ließ. ein erbitterter Gegner Luther's, der Reformation und der Universität Wittenberg war. Aber was hatte die Religion mit Kohlhase und seiner Fehde zu schaffen, und mußte nicht dem gestrengen Kurfürsten dieses gewaltthätige Auftreten Kohlhase's selbst ein Greuel sein? könnte man fragen. Jedenfalls war Joachim's Abneigung gegen die neue Lehre und ihre nachbarlichen Bekenner fürstlichen Geblüts nicht die einzige Triebfeder seiner Parteinahme für den Landfriedensbrecher, und man hat allen Grund, ein Hauptmotiv seines fast schadenfrohen Verhaltens in der sogenannten Minckwitz'schen Fehde zu suchen. Mit dieser hatte es aber folgende Bewandtniß.
Der Ritter Nickel von MinckwitzSeine Lebensgeschichte ist ausführlich nach den Quellen dargestellt von Dr. Johannes Falke im 10. Bande des »Archivs f für die sächsische Geschichte« von Dr. Karl von Weber. Wir haben aus dieser Darstellung die nachstehenden Berichte über die Minckwitz'sche Fehde geschöpft. war zu jener Zeit das Haupt eines uralten und wohlbegüterten, noch heute in Sachsen blühenden Adelsgeschlechtes, welchem die Herrschaft Sonnenwalde mit Stadt und Burg in der Niederlausitz und die Stadt und Burg Trebsen bei Grimma im leipziger Kreise gehörten. Er war ein offener, aber unruhiger Kopf, der als Parteigänger, Unterhändler und Kriegsoberst fast bei allen damaligen europäischen Händeln und Wirren seine Hände im Spiel hatte und Abenteuer und Fährlichkeiten der verschiedensten Art bestand. Er war schon in die große Sickingen'sche Fehde gegen den Landgrafen Philipp von Hessen verwickelt, indem er Sickingen mit 1500 Mann zu Hülfe zog, aber gefangen genommen und erst durch Fürsprache seines Landes- und Lehnsherrn, des Herzogs Georg von Sachsen, befreit wurde. In den damaligen Kämpfen zwischen der Pforte, Ungarn und Oesterreich, insbesondere aber in den Wirren und Kämpfen zwischen den beiden Gegenkönigen von Ungarn, Johann von Zapolya und Ferdinand I., König von Böhmen, spielte Nickel als Parteigänger eine bedeutende Rolle. Er war an den Höfen zu Warschau, Paris und Kopenhagen sowie bei dem Kurfürsten von Sachsen, bei den Herzogen von Braunschweig und Baiern und bei andern Reichsfürsten eine angesehene, vielumworbene Persönlichkeit. Er unterhielt zuweilen Söldnerheere in der für die damalige Zeit höchst bedeutenden Stärke bis zu 2000 Mann, oder war wenigstens im Stande, in kurzem solche Truppenmassen anzuwerben, auszurüsten und seinen Parteigenossen zuzuführen.
Schon hieraus erhellt, welch bewegtes und merkwürdiges Leben Nickel von Minckwitz geführt hat. Wir können indeß näher nicht darauf eingehen. Für uns handelt es sich nur darum, den Haß des brandenburger Kurfürsten gegen den, beiläufig bemerkt, der lutherischen Lehre sich zuneigenden, vom Kurfürsten von Sachsen beschützten Minckwitz und seine Parteinahme für Kohlhase zu erklären. Deshalb müssen wir der erwähnten Fehde, die nur eine der vielen Episoden in der thatenreichen Geschichte des Ritters von Minckwitz bildet, etwas ausführlicher gedenken.
Zu Lebus unweit Frankfurt a. O. existirte damals ein bedeutendes Bisthum mit sehr beträchtlichem Grundbesitz, zu welchem unter anderm auch Amt und Herrschaft Storkow gehörte. Auf dem bischöflichen Stuhle saß Georg von Blumenthal, ein peinlich trotziger geistlicher Würdenträger, über dessen Gewaltthätigkeiten verschiedene seiner Vasallen Klage zu führen hatten. Einer dieser Vasallen, Heinrich Queiß auf Plössin, ein hochbetagter Greis, war mit seinem Schäfer in Streitigkeiten gerathen, infolge deren der letztere sich sogar an seines Gerichtsherrn Familie vergriffen hatte und dann nach Friedersdorf, einem zu dem bischöflichen Amte Storkow gehörigen Dorfe, entflohen war. Hier wurde es ihm bei dem damals schon unter den Bauern herrschenden rebellischen Geiste leicht, sich einen Anhang zu verschaffen, mit dem er in Plössin einfiel, mehrere Häuser niederbrannte und seines Herrn Schafe hinwegtrieb. Auf erhobene Klage erhielt der Amtmann in Storkow von dem Bischof Befehl, dem Queiß die Schafe zurückzugeben und ihm den Schäfer in seine Gerichte auszuliefern. Der Amtmann gehorchte indeß nicht. Inzwischen brachen neue Brände in Plössin aus, und auf erneuerte Klagen wurde obiger Befehl an den Amtmann vom Bischof wiederholt, jedoch abermals ohne Erfolg. Nun wandte sich im Januar 1528 der bedrängte Edelmann an den Landvogt der Niederlausitz, Heinrich Tunckel, und dieser verwendete sich sofort dringend bei dem Bischof, daß er seinem Vasallen Rechtshülfe und Schutz vor dem rachsüchtigen Schäfer gewähre. Das nahm aber der Bischof sehr übel. Er warf dem Queiß vor, daß er dem Landvogt mit Unrecht vorgespiegelt habe, als ob er ihm die Rechtshülfe verweigert habe, und soll deshalb gedroht haben, daß er den Queiß dafür zu züchtigen wissen werde. Eine neue Fürbitte des Landvogts im Februar 1528 hatte nach längerm Zögern die Folge, daß Queiß auf Verfügung des Bischofs sich persönlich nach Friedersdorf begeben solle, um der Aufhebung des Schäfers beizuwohnen, damit sich dieser in seiner Gegenwart vertheidigen könne. Dieses Ansinnen fand Queiß sehr bedenklich und leistete demselben keine Folge, begehrte vielmehr am 7. März die Auslieferung des Schäfers um so dringender, als ihm kurz vorher »neue Brände an seinen Hof gehänget seien«. Und als auch diese Aufforderung erfolglos war, wiederholte er am 26. Mai dasselbe Ansuchen für sich und seine armen ausgebrannten Unterthanen, erhielt jedoch abermals keinen tröstlichen Bescheid, indem der Bischof schrieb: »daß Du allerwege darauf beharrst, daß wir sie (die Verbrecher) ohne Dein zuthätliches Erfordern sollten einnehmen und setzen lassen, wissen wir nicht, ob es uns auch gebühren will; derhalben wollst Du dies thun, so Du es ihnen nicht erlassen willst, mit zuthätlicher Erforderung, wie wir Dir oftmals geschrieben.«
Wenn ein zur Fehde Berechtigter zu schwach war, um selbständig ins Feld zu rücken, so verband er sich mit andern mächtigern Rittern, welche sich dann gegenseitig »Reitersdienste«, wie sie es nannten, leisteten, dafür aber selbstverständlich ihren Antheil an der etwaigen Beute in Anspruch nahmen. Queiß hatte sich deshalb um Schutz und Hülfe gegen den Bischof an Nickel von Minckwitz und Otto von Schlieben zu Baruth gewendet. Beide sagten ihm Beistand zu und betrieben nun mit Eifer ihre Rüstungen. Am 5. Juli 1528 ging der Absagebrief des Queiß an den Bischof ab. »Weil er von diesem«, so hieß es darin, »seines erlittenen Schadens, zu dem er ganz unverschuldet und ohne Ursache gekommen, keine Wiedererstattung habe erhalten, noch Recht auf sein vielfältiges Ansuchen erfahren mögen, seine Beschädiger sich aber noch in des Bischofs Landen hielten und mit beschwerlichen Drohworten weiter vernehmen ließen; weil er auch infolge der unrechtlichen Handlung des Bischofs Weib, Haus und Hof mit allen Gütern habe verlassen müssen, so dränge ihn die Noth, auf sein Bestes mit Rath und Hülfe aller seiner Gönner und Freunde, edel und unedel, zu trachten, derhalben er sich kraft dieses Briefes für sich, alle seine Helfer und Helfershelfer, als wären die mit Namen von Wort zu Wort hierin verleibt und angezeigt, der Ehre und Nothdurft nach verwahrt haben wolle, nach des Bischofs Land und Leuten, Gut und Habe zu trachten, in allem, wie des Menschen Sinn oder List gedenken möge, gar nichts ausgeschlossen, der beiden Herrschaften Beskow und Storkow Unterthanen und Verwandte, darnach sich Sr. Fürstl. Gn. möge wissen zu richten.«
Drei Tage darauf in den frühen Morgenstunden brach Nickel mit seinem Kriegsvolke von Sonnenwalde auf. Wie stark dasselbe gewesen, wird verschieden berichtet. Jedenfalls hat er an Söldnern zu Fuß und zu Roß weit über 1000 Mann geführt, denn noch unterwegs stießen 350–400 Reiter zu seiner Heeresmacht. Schon früh acht Uhr stand er vor Fürstenwalde, der Residenz des Bischofs. Mit den zu Markt fahrenden Bauern zugleich drang das Kriegsvolk durch die Thore in die Stadt ein. Die Bürger leisteten eine kurze Gegenwehr, streckten aber bald die Waffen. Der Bischof, auf dessen Gefangennehmung es hauptsächlich abgesehen war, hatte Gelegenheit gefunden, sich durch die Flucht zu retten. Schloß und Stadt ergaben sich dem Sieger, der den Bruder des Bischofs Matthias von Blumenthal und die ganze Schloßbesatzung zu Gefangenen machte und gegen eine Schatzung verstrickte. In der Stadt wüthete das Kriegsvolk abscheulich. Die Domkirche, das Rathhaus, die Wohnungen der Domherren und der Bürger, die am Kampfe teilgenommen, ebenso das Schloß, wurden geplündert. Die geraubten Kirchengefäße und Meßgewänder wurden entweiht und zu allerhand Unfug benutzt, selbst die Schuldverschreibungen und Urkunden des Bisthums und Kapitels vernichtet. Heinrich Queiß scheint in Person mit bei dem Zuge gewesen zu sein, denn der Bischof beklagte sich später gerade über ihn, daß er mit seinen, des Bischofs, Leuten also umgegangen, wie es keinem Edelmanne gezieme, sodaß drei oder vier zu Berlin seien, die Haus, Hof und alles, was sie in der Welt gehabt, hätten verlassen müssen, um nur mit ihrem Leibe zu entkommen. Am andern Tage zog Nickel wieder ab. Die geraubten Güter und Kleinodien führte er auf mehrern Wagen nach seinem Schloß Sonnenwalde.
Diese schwere Gewaltthat erregte allenthalben die höchste Entrüstung. Kurfürst Joachim, zu dessen Lande die Stadt Fürstenwalde gehörte, zog eine Kriegsmacht zusammen und forderte den Landvogt der Niederlausitz Heinrich Tunckel zur Hülfe und zum Zuzuge auf. Er ersuchte den Herzog Georg von Sachsen, von dem Nickel Sennenwalde zu Lehn trug, den frechen Bruch des Landfriedens zu strafen, dem Bischof und seinen Unterthanen den Schaden zu ersetzen sowie die Gefangenen zu befreien. Herzog Georg bot zu diesem Zwecke wirklich sein Kriegsvolk auf. Der Bischof behauptete, das Recht nie verweigert und keinen Absagebrief erhalten zu haben, und dem Nickel wurde ganz besonders brandenburgischerseits zum Vorwurf gemacht, daß er die Kirchen mit ihren Ornaten und Kleinodien nicht verschont habe, wie doch von alters her in allen öffentlichen Fehden und Kriegen gebräuchlich gewesen sei.
Auch König Ferdinand von Böhmen, zu welchem Königreiche damals die beiden Lausitzen gehörten, forderte den Herzog Georg und seinen Landvogt Tunckel auf, das von Minckwitz in der Niederlausitz versammelte Kriegsvolk zu vertreiben. Nickel verantwortete sich zunächst dem Kurfürsten Joachim gegenüber schriftlich, indem er behauptete, er habe dem widerrechtlich und gewaltsam behandelten Heinrich von Queiß auf seine Bitte, wie es Brauch sei beim Adel, auf vorhergehende Warnung einen Reiterdienst geleistet. Schloß, Stadt und Einwohner von Fürstenwalde sei er beflissen gewesen soviel als möglich zu schonen, die Beraubung der Kirchen und ihrer Kleinodien sei wider seinen Befehl geschehen, durch die Brandschatzung habe er Schloß und Stadt vom Feuer errettet, das Geplünderte sei er fleißig bemüht wiederzuerstatten, seine Handlung wisse er ehrlich und unverweislich zu verantworten, er sei auch erbötig, vor ordentlicher Obrigkeit, besonders vor dem Kurfürsten Rede zu stehen, sei diesem, wenn er seine Ungnade abstelle, zu aller Diensterzeigung bereit, werde auch, sobald die Verstrickten sich gelöst und der Bischof dem Queiß seinen Schaden ersetzen und diesem wie allen Verwandten gegen weitere Feindseligkeiten Versicherung thun würde, gegen den Bischof ferner nichts vornehmen.
Der Bischof widersprach dem und der Kurfürst ließ den Nickel wissen, daß seiner ungegründeten Antwort und Erbieten nicht stattgegeben werden könne, vielmehr habe es ihm gebührt, vor geschehener böser That bei dem Landesherrn Recht zu suchen, statt auf des Queiß loses und unbegründetes Anzeigen solche Beschädigung vorzunehmen, »das wollten wir dir auf dein Schreiben, darnach zu richten, nicht verhalten«.
Der König Ferdinand lud nun unter dem 16. Juli den Nickel bei Verlust Leibes und Gutes vor, binnen funfzehn Tagen in Prag zu erscheinen, um sich zu verantworten, schrieb aber unter dem 21. Juli auch an den Kurfürsten Joachim, er möge zu dem Verhöre Nickel's und fernerer Handlung einige Räthe nach Prag schicken, inzwischen aber sich aller thätlichen Angriffe gegen denselben oder andere, die bei der Handlung gewesen und in den königlichen Landen säßen, enthalten.
Nickel erschien aber nicht in Prag, rüstete vielmehr abermals Kriegsvolk aus, um sich gegen einen Angriff auf Sonnenwalde zu schützen. Eine Streifpatrouille des Kurfürsten von 13 Reitern, die auf Nickel und seine Anhänger fahnden sollten, wurde von Otto von Schlieben im Kloster Dobrilugk überfallen, der Anführer derselben erstochen und die ganze Schar gefangen nach Sonnenwalde eingebracht.
Von nun an beginnen, um des Landfriedensbrechers habhaft zu werden, eine Menge von Verhandlungen, Unterhandlungen und Verwickelungen, für welche dem der damaligen politischen und socialen Verhältnisse Unkundigen jedes Verständniß abgeht.
Zunächst entwickelten die Freunde und Verwandten Nickel's, dessen Gemahlin eine geborene Gräfin Schlick war, zu seinen Gunsten eine außerordentliche Thätigkeit. Lorenz Schlick, Rudolf von Bünau, Hans von Minckwitz, Andreas Pflugk, Hauptmann zu Leipzig, verwendeten sich dringend bei dem Herzog Georg, gegen Sonnenwalde nichts zu unternehmen, da die Gattin und die Brüder Nickel's mit dessen Unternehmung nichts gemein hätten und der Besitz von Sonnenwalde inzwischen auf die Brüder Nickel's übergegangen wäre. Zu entscheidenden Unternehmungen kam es von keiner Seite, wohl aber zur Ernennung von Commissarien und zur Abhaltung erfolgloser Conferenzen und Berathungen. Am eifrigsten drängte und rüstete Kurfürst Joachim, zumal er die Nachricht erhielt, Nickel lagere mit 800 Reitern an der Grenze Lauenburgs, um von da aus einen Einfall ins Brandenburgische zu machen, und unterhalte auch in Magdeburg 200 Pferde und 500 Reiter. Das Erzstift Magdeburg aber stand damals unter dem Kurfürsten Albrecht von Mainz, einem Bruder des Kurfürsten Joachim, und es verbreitete sich das Gerücht, Nickel wolle alle Klöster und Pfaffenhöfe plündern, um mit einem mal reich zu werden.
Der Kurfürst erhob gegen Nickel von Minckwitz und seine Helfer, unter denen sich auch der Graf Gebhardt von Mansfeld befand, bei dem kaiserlichen Reichskammergerichte Klage wegen Landfriedensbruches. Darüber beschwerte sich Nickel bei dem Herzog Georg. Er berief sich darauf, daß er nur durch die brandenburgische Streifrotte behindert gewesen sei, sich in Prag zu stellen, daß ihm diese mehrere Diener weggefangen und in das Kloster Dobrilugk gebracht, und daß er jene deshalb als »Landfriedensbrecher« gefangen genommen habe, wobei denn einer erstochen worden sein könne. Immer von neuem drängte der Kurfürst Joachim auf die Bestrafung Nickel's und seines Anhangs, aber jedesmal ohne Erfolg. Er beauftragte nun den Junker Fritz von Bernheim mit dem Commando über die Truppen, welche den Friedensbrecher Nickel von Minckwitz fangen sollten, und die Brandenburger streiften bis hart an die sächsischen Grenzen. Dies aber nahm der Herzog Georg sehr übel und beschwerte sich darüber, daß Bernheim die Straßen um Leipzig unsicher mache, dem leipziger Rathe einen Drohbrief zugeschickt habe, und es wol mehr auf die leipziger Messe und ihre Güter als auf Nickel abgesehen habe.
Mittlerweile hatte der letztere in einem Schreiben an den Kurfürsten Joachim allerlei Versprechungen gegeben und auch die Gefangenen freigelassen. Dies hielt ihn indeß nicht ab, in Trebsen neue Werbungen und Rüstungen zu veranstalten, von denen gerüchtweise verlautete, daß sie gegen den Kaiser und den König von Böhmen gerichtet seien. Der Herzog Georg rüstete ebenfalls und verlangte von dem Kurfürsten von Sachsen, Johann, er solle dem Ritter von Minckwitz verbieten, in seinem Lande Kriegsvolk zu sammeln. Der Kurfürst aber begehrte zunächst eine Angabe der Orte, in denen Kriegsvolk geworben würde. Jeder bezog die Rüstungen Nickel's auf sich, und alle waren in Sorge, daß der Ritter in ihr Land einfallen würde.
Inzwischen nahm der Proceß beim Reichskammergerichte, vielfach von dem Kurfürsten von Mainz zu Gunsten seines Vasallen des Grafen Mansfeld gehemmt, seinen langsamen Fortgang. Eine Entscheidung war so bald nicht abzusehen. Um sich mit dem Kurfürsten Joachim gütlich auseinanderzusetzen, war auf Nickel's Ansuchen auf den 20. August eine Tagsatzung nach Jüterbogk anberaumt. Hier erschienen die Bevollmächtigten des Kurfürsten Joachim sowie des Kurfürsten Albrecht und des Bischofs von Lebus. Nickel aber und von Queiß erschienen nicht, baten vielmehr schriftlich um weitere Frist und eine neue Tagsatzung.
Der Herzog Georg hatte den Befehl ertheilt, daß Nickel, sowie er nach Leipzig komme, verhaftet, aber sofort wieder entlassen werden solle, wenn er an Eidesstatt oder mittels Handschrift angelobe, daß er sich den dritten Tag in der Schöfferei zu Dresden stellen wolle. Bereits am 11. October meldete der Rath zu Leipzig, daß er den Nickel festgenommen nnd ihn gegen das befohlene Gelöbniß wieder entlassen habe, auch stellte sich Nickel ohne Verzug in Dresden und wurde sofort als Gefangener nach Pirna abgeführt. Hier begann nun ein Verhör über die von Herzog Georg ihm vorgelegten Anschuldigungspunkte, insbesondere über den Ueberfall der Stadt Fürstenwalde, über die Einrichtung protestantischen Gottesdienstes auf Sonnenwalde und über die Unterhandlungen mit dem Wojwoden Johann von Ungarn zu einer Zeit, wo dieser König Ferdinand's abgesagter Feind gewesen war. Nickel verantwortete sich schriftlich und ausführlich. Er gedachte des »Ritts« nach Fürstenwalde als auf vielfältiges Klagen und Bitten des vergewaltigten Heinrich von Queiß von ihm unternommen, denn es »habe jeden Christen erbarmen müssen, daß ein Armer vom Adel so gewaltiglich von seinen Gütern, von Haus und Hof sollte gedrungen werden«; die Gewaltthaten in Fürstenwalde seien wider sein Wissen und Willen geschehen, und von dem Wojwoden Johann habe er sich abgewandt, als dieser sich ganz in die Türkenhülfe begeben. Er bat schließlich, ihn mit Rücksicht auf seine für den König Ferdinand geworbenen Reiter und seine eigenen Knechte, die alle auf seinen Bescheid mit schweren Unkosten warten müßten, zu entlassen.
Kurfürst Joachim verlangte vom Herzog Georg, daß er Nickel nicht freigeben, oder in der Bürger Hände kommen lassen, sondern einen Tag bestimmen möge, an welchem er, der Kurfürst, durch seine Abgeordneten mit demselben gütlich und peinlich reden könne. Auch König Ferdinand stellte Anfang December 1529 ein gleiches Verlangen; aber Kurfürst Johann verwendete sich auf Bitte der Freunde Nickel's für dessen Entlassung. Herzog Georg wollte für sich allein die Sache zur Entscheidung bringen und vor allem die Herrschaft über Sonnenwalde mit keinem Fremden theilen. Nickel versäumte nicht, dem Herzog Georg alle möglichen Versprechungen und Zugeständnisse zu machen und ihn flehentlich um seine Befreiung anzugehen; er bat ihn für alles, was er wissentlich oder nicht wissentlich gegen ihn verschuldet, um Verzeihung, versprach, sobald der Herzog solches bedürfe, ihm 3 – 400 Reiter zuzuführen, sich in keines andern Dienst zu begeben und das Haus Sonnenwalde, soviel ihm daran noch zustehe, dem Herzog abzutreten. Der Herzog nahm dies bestens an und stellte noch die folgenden Bedingungen. Wenn Nickel von Sonnenwalde abreise, habe er zu hinterlassen, wo man ihn mahnen könne, und sich auf solche Mahnung binnen neun Tagen zu stellen, im übrigen müsse er Bürgen stellen, die sich sämmtlich und sonderlich verpflichten sollten, wenn einer dieser Bedingungen nicht Folge geschehe, dasjenige ohne Einrede zu thun, was und so oft es vom Herzoge ihnen oder ihren Erben auferlegt werde.
Nickel und seine Bürgen verpflichteten sich hierzu allenthalben, doch machte schon die Uebergabe des Schlosses Sonnenwalde an den Herzog große Schwierigkeiten, weil sich die Brüder Nickel's in dessen Besitz gesetzt und behaupteten, daß er ihnen seinen Theil gegen Bezahlung seiner Schulden im Betrage von 14000 Thlrn. abgetreten habe. Nach mehrfachen Verhandlungen brachte der Herzog Stadt und Schloß Sonnenwalde endlich in seine Hände. Er ließ jedoch Nickel, der Anfang des Jahres 1529 seiner Haft entlassen worden war, unter den bezeichneten Bedingungen vorläufig im Besitz.
Ueber diesen Ausgang und die Befreiung Nickel's war Kurfürst Joachim im höchsten Grade unzufrieden. Es entspann sich darüber zwischen ihm und Herzog Georg eine sehr gereizte Correspondenz, insbesondere deshalb, weil der Herzog die Entschädigung der kurfürstlichen Unterthanen aus Nickel's Lehngute verweigerte. Nickel selbst verweilte auf Sonnenwalde nicht lange, er folgte seinem Hange zu abenteuerlichen Fahrten und dachte nicht mehr an die dem Herzoge gemachten Versprechungen. Dieser hielt sich nun an die Bürgen, die Grafen Albert und Lorenz Schlick, Heinz Pflugk zu Rabenstein, Rudolf von Bünau, Hofmeister, Andreas Pflugk, Amtmann zu Leipzig, Innocentius von Starschedel, Marschall, Heinrich von Könneritz, Hauptmann in Joachimsthal, Hieronymus und Balthasar Ziegler, Günther von Bünau, Lorenz von Schönberg und Christoph von Staupitz, welche ihrerseits vorschützten, daß der Kurfürst Joachim fortwährend auf Nickel streifen lasse, weshalb es ihnen unmöglich sei, denselben zu stellen. Sie baten deshalb um Anberaumung eines Rechtstages und Entlassung aus ihrer Bürgschaft. Der Herzog willfahrte ihnen aber nicht, sondern gab ihnen nur weitere Frist, binnen welcher sie den Ritter Nickel von Minckwitz sistiren sollten. Kurfürst Joachim aber drang auf Verhaftung der Bürgen, bis ihm und dem Bischof von Lebus alle Schäden ersetzt seien. Der Herzog schlug dieses Begehren ab, mit dem Bemerken, daß sich die Bürgen nur ihm gegenüber verpflichtet hätten. Nickel, der sich damals bei dem König Sigismund von Polen in Krakau aufhielt, wurde am 24. October 1530, nachdem er sich persönlich zu stellen verweigert hatte, von dem kaiserlichen Reichskammergerichte zu Speier in die AchtDiese Reichsacht, auch Oberacht, und wenn sie wegen Mordes eintrat, Mordacht genannt, war eine Verrufserklärung, durch welche der Geachtete für fried-, ehr- und rechtlos erklärt wurde. Die Achtsformel, welche nach der brandenburgischen Halsgerichtsordnung im Anfang des 16. Jahrhunderts im Brauche war und im wesentlichen mit allen frühern oder spätern übereinstimmt, lautete: »Als Du mit urtheyle und recht zu der mordacht erteylt worden bist, also nym ich Dein leyb und gut auß dem fride und thu sie in den unfride und künde Dich ehrloß und rechtlos und künde Dich den vögeln frei in den lüften und den vischen in dem wage (Wasser) und sollt auf keiner straßen, noch in keiner muntat, die Keyser und Konig gefreyet haben, niendert friden noch gleyt haben. Und künde alle Deine lehen, die Du hast im herrn ledig und loß und von allem rechte in alles unrecht. Und iß auch allemeniglich erlaubt über Dich, daß niemant an Dir freveln kann noch solle, der Dich angreifft.« Gewöhnlich heißt es auch noch: »ich künde Dein ehlich weib zu einer wissentlichen wittwen und Deine kind zu wissentlichen weysen.« Im wormser Landfrieden von 1521 heißt es: »es soll ihn jeder für unredlich achten; auch alle Verschreibung, Pflicht oder Bündniß ihm zustehend, darauf er Forderung und Zuspruch hat, soll gegen ihn ab und todt seyn.« erklärt und durch den Kammerrichter als Aechter des Reichs ausgerufen.
Für die Bürgen begann jetzt eine bedrängte Zeit. Sie mußten auf Herzog Georg's Befehl bald hier, bald dort einreiten und durften sich ohne sein Wissen und Willen nicht entfernen, waren deshalb in ihren Geschäften im höchsten Grade belästigt, und baten Nickel wiederholt schriftlich, daß er sich stellen und sie von ihrer Bürgschaft befreien möge. Der Kaiser beauftragte den Herzog Georg, Nickel's Lehngüter und Herrschaften an sich zu nehmen und ihre Einkünfte jährlich an den Kammerprocurator-Fiscal einliefern zu lassen.
Man befürchtete, daß Nickel dem Wojwoden Johann Kriegsvolk gegen König Ferdinand zuführen möchte, es wurden deshalb die Grenzen der Lausitz und Schlesiens besetzt. Dies geschah besonders auf König Ferdinand's Antrieb, weil Nickel von seinen »geschwinden Practiken, die er mit seinen gleichmäßigen Gesellen zum Nachtheil des Königs wie der ganzen Christenheit pflege«, in keiner Weise abstehe, sondern mit Aufrührern und Rädelsführern überall Verbindung unterhalte. Wirklich gelang es auch, einen bedeutenden Waffentransport Nickel's an der Grenze Schlesiens wegzunehmen.
Inzwischen hatte Herzog Georg auf den 12. Januar 1531 die Bürgen wieder nach Dresden eingefordert und von ihnen verlangt, daß sie gegen Nickel Scheltbriefe aussenden sollten. Auf dringendes Bitten gab er ihnen abermals Frist bis Donnerstag nach Ostern, und dann wieder bis zum September, wo sie sich, wenn Nickel bis dahin nicht erschienen, wieder einzustellen haben sollten.
Inmittels verhandelte Nickel mit König Ferdinand und Herzog Georg schriftlich wegen Gewährung sichern Geleits, worüber Kurfürst Joachim wieder sehr ungehalten war. Aber auf kaiserlichen Befehl wurde der Proceß wider Nickel vor dem Reichskammergerichte sogar sistirt, als der Ritter den Auftrag erhielt, zu Gunsten des Königs Johann von Ungarn mit mehrern deutschen Reichsfürsten und mit dem Könige von Frankreich zu verhandeln. Am 24. September 1531 hatte Nickel in Nürnberg eine geheime Unterredung mit dem bairischen Kanzler Dr. Eck, am 18. October schon traf er wieder in Krakau ein, um bald darauf nach Lübeck zu reisen, wo er in den ersten Tagen des Jahres 1532 eine Zusammenkunft mit Gesandten des Königs von Frankreich haben sollte, die er zu thätigem Eingreifen zu Gunsten des Königs Johann zu bestimmen hoffte. Die Gesandten blieben zwar aus, aber bei einer spätern Zusammenkunft wurde unter Zustimmung der Herzoge von Baiern, die sich zur Tragung der antheiligen Kosten bereit erklärten, vereinbart, daß dänisches Kriegsvolk angeworben und mit einem reisigen Zuge der deutschen Rüstung dem König Johann zu Hülfe gezogen werden sollte. Nach verschiedenen in derselben Absicht von Nickel trotz der über ihm schwebenden Reichsacht betriebenen Verhandlungen bei deutschen Reichsfürsten meldete er am 1. Mai 1532 den Herzogen von Baiern, daß er von König Ferdinand vergleitet und »hoch angesucht« sei, zwischen ihm und König Johann von Ungarn einen Vergleich zu Stande zu bringen, daß ihm dies aber nicht gelungen sei.
Dem Herzoge Georg versprach er, sich zu stellen, wenn ihn derselbe zuvor vor ewigem Gefängnis und des Lebens versichert habe. Des Herzogs Amtmann, Johann Spiegel, bemerkte in seinem desfallsigen Berichte, daß Nickel »fast sehr dürre« geworden sei und häßlich aussehe.
Die schwer bedrängten und zum öftern Einreiten in Dresden geforderten Bürgen, deren Mahnungen zur Stellung Nickel niemals Folge leistete, schrieben endlich an diesen, daß sie, wenn er sich nicht stelle, ihn als einen Ehrlosen, den kein Adelicher oder Rittermäßiger im Felde neben sich in einem Gliede leiden dürfe, erklären müßten und es ihm besser sei, mit Ehren gestorben zu sein, als mit Schanden zu leben.