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Kirsten Radau: Materialwissenschaftliche Untersuchungen an
pharmazeutischen
Hilfsstoffen und ihre Bedeutung für die Herstellung
homöopathischer
Arzneimittel
Kommentar von
Prof. Dr. Gerhard W. Bruhn, Darmstadt
Prof. Dr. Erhard Wielandt, Stuttgart
PD Dr. Klaus Keck, Konstanz
Kurze Zusammenfassung der Dissertation
Homöopathische Verdünnungen bzw. Potenzierungen werden
entweder durch Verdünnen und Schütteln von Lösungen oder
durch Verreiben von Pulvern hergestellt. Nach dem Begründer der
Homöopathie, Hahnemann, geht die Ausgangssubstanz dabei in
"geistartige Wesen" über. In dieser Arbeit sollte untersucht
werden, welchen Einfluss verschiedene Vorschriften zur Potenzierung
fester Materialien auf die biologische Wirksamkeit von
homöopathischen hochpotenzierten Arzneimitteln haben. Die
biologische Wirksamkeit der Präparate bzw. die erzeugten
"geistartigen Wesen" wurde mit dem von Schmidt, Süß
und Nieber veröffentlichten in-vitro-Test gemessen. Die Resultate
wurden als Empfehlungen für die Herstellung von
homöopathischen Präparaten formuliert.
Warum handelt es sich um eine
pseudowissenschaftliche
Arbeit?
- Die
theoretischen Grundlagen der Arbeit sind nicht naturwissenschaftlich,
sondern stammen aus dem Bereich der Esoterik.
- Die
Zielsetzung der Arbeit ist die Beantwortung der Frage, mit welchen
mechanischen Methoden die "geistartigen Wesen", von denen Hahnemann
spricht, potenziert werden können.
- Da diese
"geistartigen Wesen", welche die Doktorandin als das "therapeutisch
wirksame Agens" bezeichnet, nach Ansicht der Doktorandin die
gleichen
Eigenschaften haben wie die Moleküle der Ursprungssubstanzen, mit
dem
verwendeten Test nicht gemessen werden können, sind die Ergebnisse
falsch.
Anmerkung: Wir hatten
bereits die Veröffentlichung von Schmidt, Süß und
Nieber [1] in unserem Kommentar zu dieser Arbeit [2] kritisiert.
Es werden hier nicht
alle Argumente wiederholt, sondern an einigen Stellen auf die
Ausführungen in diesem Kommentar verwiesen. Dieser Text
enthält einige weitere Überlegungen und Gesichtspunkte, die
in dem Kommentar nicht erwähnt sind. Insofern ist er eine
Ergänzung unseres Kommentars zu der Arbeit von Schmidt et. al.
Dieser Kommentar kann von unserer
Webseite [2] heruntergeladen werden.
Theoretische
Voraussetzungen der Arbeit
A. Hahnemanns
homöopathische Hypothese
Der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann postulierte
vor 200 Jahren, dass Substanzen, die bei gesunden Menschen bestimmte
Symptome einer Krankheit hervorrufen, im Stande sind, Krankheiten mit
den gleichen Symptomen zu heilen "Similia similibus curentur!". Nach
Hahnemann nimmt die Heilwirkung zu, wenn die Arzneimittel verdünnt
und gleichzeitig geschüttelt (potenziert) werden. Er bezeichnete
diese Zubereitung auch als Dynamisation,
In Hahnemanns eigenen Worten (Organon der Heilkunst 6. Auflage,
§270,
Fußnote 7) [36]:
"Ungemein wahrscheinlich wird es
hierdurch, daß die Materie mittels solcher
Dynamisationen (Entwickelungen
ihres wahren, innern, arzneilichen Wesens)
sich zuletzt gänzlich in ihr individuelles geistartiges Wesen
auflöse und daher
in ihrem rohen Zustande, eigentlich nur als aus diesem unentwickelten
geistartigen Wesen bestehend betrachtet werden könne."
B.
Pseudohomöopathische Hypothesen
Ist Hahnemanns Hypothese aus dem Blickpunkt der Wissenschaft vor 200
Jahren noch einigermaßen verständlich, so sind es die
Hypothesen der modernen Apologeten der Homöopathie nicht. Mit
diesen Hypothesen soll gezeigt werden, dass die "geistartigen Wesen"
von
denen Hahnemann spricht, reale Strukturen (oder elektromagnetische
Wellen) sind, die unter physiologischen Bedingungen Effekte
hervorrufen, die mit Messgeräten gemessen werden können. Wir
haben die gängigen Behauptungen der besseren Übersicht halber
als drei Hypothesen formuliert.
Hypothese 1: Beim Verdünnen bzw. Potenzieren einer Substanz,
werden geistige Abbilder der Substanz erzeugt. Der Prozess, der zu der
Erzeugung der Abbilder führt ist eine intensive Bewegung des
Lösungsmittels, bzw. gleich wirksam, eine Verreibung mit einem
Trägerstoff, wenn es sich um feste Substanzen handelt.
Hypothese 2: Bei weiterem Verdünnen bzw. Potenzieren vermehren
sich diese Abbilder auch ohne Anwesenheit der Ursprungssubstanz: Das
Wasser hat ein Gedächtnis der Substanz.
Hypothese 3: Obwohl keine Substanz mehr in der Lösung vorhanden
ist, verhält sich die Lösung im Experiment so, als sei die
Substanz weiterhin in einer Konzentration vorhanden, die der
Wirkkonzentration entspricht, welche die Substanz auch unter normalen
physiologischen Bedingen hat.
In dieser Dissertation soll
nicht etwa untersucht werden, ob diese Hypothesen richtig sind.
Sie werden als richtig vorausgesetzt.
In-vitro-Test
zum Nachweis "geistartiger Moleküle"
Wir führen hier die Bezeichnung "geistartige Moleküle" ein,
um hervorzuheben, dass für den Nachweis der "geistartigen Wesen"
Hahnemanns, in dieser Arbeit eine Messmethode verwendet wurde, die
für den Nachweis bestimmter Moleküle, hier Atropin,
spezifisch ist.
Die durch Acetylcholin (ACh) stimulierte Kontraktion von Muskeln des
Ileums der Ratte kann durch Belladonna (Extrakte aus der Tollkirsche)
oder dem Wirkstoff dieses Extraktes, Atropin, gehemmt werden.
Schmidt, Süß und Nieber haben einen Test entwickelt, mit dem
sie angeblich nachweisen können, dass homöopathische
Hochpotenzen des Atropins (z.B. D100) diese Muskelkontraktion
ebenfalls hemmen können (Einzelheiten in unserem Kommentar). Der
Test beruht auf der Konkurrenz zweier Moleküle, die in einem
Strukturbereich Ähnlichkeit aufweisen, um die Bindungsstelle am
Rezeptor.
In der hier besprochenen Arbeit wird dieser Test benutzt, um die
biologische Wirksamkeit homöopathischer Hochpotenzen zu messen.
Voraussetzung der Arbeit ist die Richtigkeit der von Schmidt,
Süß und Nieber veröffentlichten Arbeit. Diese Arbeit
ist eine Falschmitteilung. Wir hatten bereits darüber berichtet
(siehe unseren Kommentar [2,3] dazu).
Allgemeiner formulierte Aussagen, wie zum Beispiel die, ob Wasser
irgendein Gedächtnis für die ursprünglichen
Moleküle hat, werden in diesem Rahmen nicht diskutiert. Wir
reduzieren unsere Erörterungen auf solche Aspekte, die
für die hier kritisierte Dissertation relevant sind, also auf die
Frage: Entstehen bei der Potenzierung irgendwelche "Einheiten" deren
Eigenschaften mit denen der Ursprungsmoleküle identisch sind und
die mit dem verwendeten Test gemessen werden können?
Die Hypothesen, und die Ergebnisse dieser
Arbeit sind mit der Existenz von Leben unvereinbar
Die Meinung, die hier angeführten Erörterungen seien nur
für das Verständnis der Wirkung von homöopathischen
Arzneimitteln interessant, ist falsch. Wäre tatsächlich, wie
Schmidt, Süß, Nieber und Radau behaupten, der Nachweis
erbracht, dass Belladonna D100-Lösungen die Kontraktion von
Muskeln hemmen, dann wäre der folgende Schluss unausweichlich:
Durch die Schüttelprozedur werden immaterielle Abbilder oder
"geistartige Moleküle" erzeugt, welche die strukturellen Merkmale
der ursprünglichen Moleküle haben und die mit den
Zielmolekülen (Rezeptoren) genauso interagieren können wie
die materiellen Originalmoleküle. Das wäre keine
Materie-Materie-Wechselwirkung mehr, wie wir sie kennen, sondern ein
völlig neuer, bisher unbekannter Mechanismus. Unsere Vorstellungen
über die Wechselwirkung von Materie wären grundlegend falsch.
Es ist gewiss nicht übertrieben, wenn man die Bedeutung dieser
neuen "Erkenntnis", wäre sie richtig, mit der von Einsteins
Relativitätstheorie vergliche.
Wenn diese "geistartigen Moleküle" tatsächlich bei Bewegen,
Beschleunigen und Schütteln von Wasser entständen und
vermehrt
würden, dann müsste jeder Tropfen Wasser, der aus der Leitung
fließt, alle biologisch relevanten Moleküle in Form von
"geistartigen Molekülen" enthalten. Bei den
Zersetzungsvorgängen von biologischem Material im Einzugsgebiet
eines Flusses gelangen zwangsläufig Spuren dieser Substanzen in
das Trinkwasser und bei den vielen Schüttelvorgängen, die das
Wasser erfährt, bis es in die städtischen Leitungen gelangt,
müssten diese Substanzen potenziert werden.
Grundlegend für alle Lebensvorgänge sind spezifische
molekulare Interaktionen, welche die verschiedensten Vorgänge
steuern. Vorrausetzung dafür ist, dass bestimmte Moleküle
zeitlich befristet in einer bestimmten Konzentration an einem
bestimmten Ort präsent sind und an entsprechende Bindungsstellen
innerhalb der Zellen oder an deren Oberfläche binden und damit
Folgereaktionen auslösen. Ohne diese Steuerungsreaktionen ist
Leben undenkbar.
Es ist offensichtlich, dass keine Steuerungsreaktionen mehr stattfinden
könnten, wenn alle Moleküle in Form von "geistartigen
Molekülen" mit den gleichen Eigenschaften, wie die der
Ursprungsmoleküle überall vorhanden wären.
Wir wollen das nicht weiter vertiefen, weil wir sicher sind, dass die
mitgeteilten Ergebnisse falsch sind. Wir vertrauen darauf, dass die
Absurdität dieser Behauptungen auch für
Nicht-Naturwissenschaftler erkennbar ist.
Wir vermuten, dass die Doktorandin über die Konsequenzen
ihrer Veröffentlichung ebenso wenig nachgedacht hat wie über
die Frage, ob man diese Hochpotenzen überhaupt herstellen kann.
Wir hatten bereits darauf hingewiesen,
dass homöopathische Hochpotenzen aus prinzipiellen Gründen
nicht herstellbar sind [2].
Theoretische Grundlagen aus der Sicht der
Doktorandin
Unter der Überschrift "Theoretische Grundlagen der
Homöopathie" versucht Frau Radau zu erklären wie beim
Schütteln und Verdünnen (Potenzieren) irgendetwas entstehen
könnte, das die Eigenschaften der Ausgangsmoleküle besitzt.
Da keine der hier angeführten "theoretischen Grundlagen", selbst
wenn sie richtig wäre, erklären könnte, wie die hier
angeblich erzeugten Abbilder oder "Informationen" an den ACh-Rezeptor
binden und so die Aktivierung des Rezeptors hemmen könnten,
ersparen wir es uns, die einzelnen unsinnigen Hypothesen zu widerlegen,
sondern geben hier nur einige besonders bemerkenswerte Abschnitte aus
diesem Kapitel wieder. Wir weisen besonders auf die
dilettantische Verwendung des Modewortes "Information" hin, das bei
Esoterikern jeder Provinienz z.Z. sehr beliebt ist.
Radau
S. 43: "Ein erster theoretischer Ansatz zum Verständnis der
Homöopathie stammt von Hahnemann, dem Begründer der
Homöopathie. Nach seiner Vorstellung ist Gesundheit davon
abhängig, daß im Körper eine immaterielle geistartige
Lebenskraft ungestört waltet. Krankheit resultiert aus einer
"Verstimmung" der Lebenskraft. Durch die homöopathische Therapie
wird durch Wirkung auf die Lebenskraft die Gesundheit wiederhergestellt
[36]. Diese und verschiedene andere Vorstellungen Hahnemanns wurden mit
theologischen und psychologischen Konzepten verknüpft. Nach diesen
Überlegungen greift die Homöopathie vor allem in den
geistig-psychischen Bereich des Menschen ein."
Wäre Frau Radau bei dieser Einschätzung Hahnemanns
geblieben, hätte sie ihre Dissertation sicher nicht geschrieben.
Diese Formulierung Hahnemanns entzieht sich einer
naturwissenschaftlichen Beurteilung.
Radau
S. 45: "Die Wirkung homöopathischer Hochpotenzen kann also
keine pharmakologisch-molekulare sein, sondern muss auf einer
physikalischen Information beruhen [141, 143, 144]. Biologische Systeme
müssen mit dieser Information in Wechselwirkung treten, das
heißt sie erkennen und verarbeiten können. Für die
Wirkung sind die Abstimmung zwischen Sender und Empfänger und die
Reaktionslage des Organismus entscheidend, nicht die Stärke der
Information [145, 146]."
Selbst Frau Radau ist der Ansicht, dass die Wirkung keine
pharmakologisch-molekulare sein kann, aber sie misst diese Wirkung mit
einem Test, der auf einer eben solchen Wirkung beruht. Frau Radau
spricht von einer physikalischen Information, ohne zu erwähnen,
was sie darunter versteht.
Bei der Formulierung: "Für die Wirkung sind die Abstimmung
zwischen Sender und Empfänger und die Reaktionslage des Organismus
entscheidend, nicht die Stärke der Information" handelt es sich um
eine für Esoteriker typische Darstellung.
- Es wird nicht erklärt, was unter Sender und
Empfänger zu verstehen ist. Sollen die "geistartigen
Moleküle" die Sender sein und der ACh-Rezeptor der Empfänger?
- Was wird gesendet?
- Handelt es sich um elektromagnetische Wellen, wie Prof.
Süß vermutet (Siehe [2])?
- Woher kommt die Energie?
- Welche Frequenzen haben diese Wellen?
- Wo und wie sind sie gespeichert?
- Woher wissen sie wann sie benötigt werden?
- Warum strahlen sie nicht sofort nach allen Seiten und gehen
verloren?
- Wie sollten diese merkwürdigen Wellen den
Bindungsvorgang des Atropins an den Rezeptor simulieren?
- Was heißt Reaktionslage des Organismus? Ändert
sich die Eigenschaften des ACh-Rezeptors mit der "Reaktionslage". Bei
ihrem Test hat Frau Radau die "Reaktionslage" merkwürdigerweise
nicht berücksichtigt
- Was ist die Stärke einer Information? Etwa die
Konzentration der "geistartigen Moleküle"?
Frau Radau benutzt hier die typische Diktion der Esoteriker. Vermutlich
ist dieser Satz, aus der esoterischen Literatur in die Arbeit
übernommen worden, ohne dass die Doktorandin darüber
nachgedacht hat, was er bedeutet.
Radau
S. 45: "Für die Informationsspeicherung bei der
Potenzierung
existiert die Vorstellung, dass der homöopathische Arzneistoff
durch die Verschüttelung (Energiezufuhr) seine Information auf das
Lösungsmittel überträgt. "
Was versteht Frau Radau unter der Information des
Arzneistoffs? Beim Schütteln kann Energie allenfalls in Form von
Wärme übertragen werden.
Radau
S. 45: "Das Lösungsmittel, das dann eine Art "Abdruck"
(Imprint) des Arzneistoffes trägt, kann bei weiteren
Potenzierungsschritten die Information auch dann noch weitergeben, wenn
keine Arzneistoffmoleküle mehr in der Lösung vorhanden sind.
Durch die Potenzierung wird die Information verstärkt und
präzisiert. Tatsächlich existieren einige gut begründete
Hypothesen zur Informationsspeicherung im Wasser."
Was versteht Frau Radau unter Verstärkung und
Präzisierung einer Information? Das Signal für den Rezeptor,
dessen Aktivierungs-Hemmung Frau Radau misst, ist das Molekül
Atropin bzw. nach Radaus Meinung offenbar ein "geistartiges
Molekül" mit derselben Struktur und denselben chemischen
Eigenschaften. Bedeutet Verstärkung der Information eine
Erhöhung der Konzentration dieser merkwürdigen
pseudomolekularen Spezies. Was bedeutet dann deren Präzisierung?
Radau S. 47: "Innerhalb des
Konzeptes
der Clusterbildung wird eine Mischung von dreidimensional vernetzten
Assoziaten und Einzelmolekülen angenommen. Die Clusterbildung wird
als ein kooperatives Phänomen betrachtet, das heißt wenn
sich eine Wasserstoffbrücke formt, bilden sich sofort mit
statistischer Verteilung einige andere Bindungen aus. Die Lebensdauer
einer Wasserstoffbrücke im Cluster beträgt10 -11 bis10 -10s.
Dieses fluktuierende System der Clusterbildung und des Clusterzerfalls
wird als "flickering clusters" bezeichnet. "
Dieser Teil ist richtig. Die Cluster sind statistisch verteilt.
Radau S. 47: "Spezifische Cluster
haben eine charakteristische, einzigartige Struktur, so daß die
biophysikalische oder biochemische Information, die von einem
spezifischen Cluster getragen wird, ebenfalls einzigartig ist."
Nun sind die Cluster plötzlich spezifisch und tragen
biophysikalische Informationen. Was sind biophysikalische
Informationen? Frau Radau nimmt offenbar die Existenz von
Clustern an, welche die Struktur des Arzneimoleküls nachahmen,
also die Eigenschaften des Arzneimoleküls annehmen. Selbst, wenn
es sie gäbe, wie sollten diese Cluster ihre "spezifische Struktur
" aufrechterhalten wenn sie doch eine so kurze Lebensdauer haben?
Radau
S. 47: "Das Zell- oder Clathrat-Modell betrachtet Wasser als ein
System mit Netzwerkstruktur, dessen Hohlräume einzelne
Moleküle enthalten oder leer sind. Das Clathrat-Modell kommt der
Imprint-Theorie näher [39, 95].
Anagnostatos [39] beschreibt die
Bildung von Clathraten und schlägt für die Vorgänge bei
der Herstellung von homöopathischen Zubereitungen eine
Drei-Stufen-Hypothese vor. Der erste Schritt besteht in der Bildung von
Clathraten aus den Molekülen des Lösungsmittels um isolierte
Moleküle des Arzneistoffs. "
Hätte Frau Radau sich kundig gemacht und einen
Übersichtsartikel über Clathrate gelesen, dann hätte sie
erfahren, dass geladene Moleküle wie das von ihr in den Tests
verwendete Atropin (unter physiologischen Bedingungen) keine Clathrate
bilden können.
Radau
S. 47: "Im zweiten Schritt kommt es durch kräftiges
Verschütteln zu einer Separation des Substanzmoleküls von
seinem umgebenden Clathrat, weil sich die Dichten des
Substanzmoleküls (relativ groß) und seines Clathrates (klein
wegen des großen Volumens mit einem Hohlraum im Inneren) und
damit die Geschwindigkeiten unterscheiden. Die freigewordenen
Arzneistoffmoleküle interagieren dann mit Wassermolekülen aus
der Umgebung, was zur Bildung von neuen, identischen Clathraten
führt, während die jetzt leeren Clathrate aufgrund der
Abwesenheit von hydrophoben Abstoßungskräften zwischen
Substanz und Wassermolekülen des Clathrates zu einer kompakteren,
stabileren Struktur schrumpfen. Wassermoleküle aus der
angrenzenden Schicht kommen dadurch näher zusammen, die Ausbildung
von Wasserstoffbrücken wird ermöglicht, und es bildet sich
ein Mantelclathrat, das die Form des Kernclathrates imitiert. Aufgrund
der unterschiedlichen Größen ist das Kernclathrat kompakter
als das Mantelclathrat und verhält sich eher wie ein Feststoff,
während das Mantelclathrat wie eine Flüssigkeit agiert. Der
dritte Schritt besteht in der Separation des Kernclathrates vom
Mantelclathrat durch Verschütteln aufgrund der unterschiedlichen
kinematischen Eigenschaften. Um das Kernclathrat kann sich dann ein
neues Mantelclathrat ausbilden, während das frühere
Mantelclathrat durch Schrumpfung zum kompakten Kern eines neuen
Mantelclathrates wird. Die grundlegenden Faktoren dieser Theorie
stellen zum einen die Bildung von Clathraten um
Arzneistoffmoleküle, zum anderen die Stabilität dieser und
aller anderen im Herstellungsprozeß involvierten Clathrate dar.
Die Bildung von Clathraten und ihre Stabilität sind für viele
Substanzen anerkannt. Weil die Bildung von Clathraten für
spezifische Arzneistoffe auch spezifisch verläuft, bewahren nach
diesem Ansatz homöopathische Zubereitungen über ihre
Clathrate charakteristische Eigenschaften der Ausgangssubstanz, auch
wenn diese nicht mehr physisch anwesend ist."
Eine abenteuerliche Vorstellung! Auf eine kurze
Formulierung gebracht: Zerquetschte Wassermoleküle (Kernclathrate)
bekommen auf wundersame Weise die Eigenschaften der
Originalmoleküle. Esoteriker können sich darauf verlassen,
dass in ihren Kreisen auch die absurdeste Hypothese nicht in Frage
gestellt wird. Man sollte aber erwarten, dass Naturwissenschaftler
solche Hypothesen nicht vorbehaltlos akzeptieren.
Radau
S. 50:" Mit der Natur des "therapeutisch wirksamen Agens" in
Hochpotenzen und seiner physikalischen Erklärung beschäftigt
sich Weingärtner [152]. Die Hypothese besagt, daß das
"therapeutisch wirksame Agens" aus Zuständen besteht, die der
flüssige Arzneiträger als ein molekulares System einnehmen
kann und die jenen Zuständen in Quantensystemen ähnlich sind,
die zueinander in Beziehung stehen aber nicht ursächlich
voneinander abhängig sind."
Es ist unwahrscheinlich, dass die Doktorandin sich unter
diesem Text etwas konkretes vorstellen kann.
Besonders amüsant ist auch das folgende Zitat:
Radau
S. 52: "Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Art
der Übertragung der Information: Arbeiten von Endler et al. [156]
zeigen, daß die homöopathische Information auch durch die
geschlossene Phiole und auf dem Weg einer elektronischen
Übertragung auf Kaulquappen wirken kann."
Die Doktorandin diskutiert hier auf einem Niveau, das man beim
besten Willen nicht als wissenschaftlich bezeichnen kann. Man gewinnt
den Eindruck, man lese einen Artikel in einer esoterischen Zeitschrift.
Eine Voraussetzung wissenschaftlicher Argumentation ist die
Verwendung von Begriffen und Argumenten in einer Weise, die
sicherstellt, dass zumindest der fachkundige Leser weiß, was
damit gemeint ist. Das ist hier nicht der Fall.
Ergebnisse
der Arbeit
Folgende Ergebnisse sollen hervorgehoben werden. Sie hätten
Bedeutung für die Homöopathie, wenn sie richtig wären.
1.
Bestätigung der zweifachen Wirkungsumkehr
Bereits Schmidt. et. al. [1] hatten darüber berichtet, dass mit
niedrigeren Potenzen von Belladadonna (D6) eine Steigerung der
ACh-induzierten Muskelkontraktion beobachtet wurde, also eine
Wirkungsumkehr im Vergleich zu der hemmenden Wirkung konzentrierterer
Belladonna-Lösungen. Bei höheren Potenzen wurde eine zweite
Wirkungsumkehr registriert. Diese Lösungen bewirkten wieder
eine Hemmung der Kontraktion, wie sie auch bei höheren
Konzentrationen beobachtet wurde. Weder Schmidt et. al. noch Radau
haben solche hohen Konzentrationen bei ihren Versuchen eingesetzt, aber
dieser Effekt ist allgemein bekannt. Beispielsweise macht der Augenarzt
zur Erweiterung der Pupillen davon Gebrauch.
Wir hatten bereits erwähnt [2], dass dieses Versuchsergebnis in
krassem Widerspruch zu den Regeln der Homöopathie steht.
Frau Radau berichtet nun über gleiche Messergebnisse und
bestärkt damit die Glaubhaftigkeit der Resultate von Schmidt et.
al. [1]. Wir hatten bereits in unserem Kommentar darauf hingewiesen,
dass ein Doktorand, der über dieses Thema arbeitet nur die
Alternative hat, entweder seine Betreuer zu widerlegen oder
Versuchsergebnisse vorzulegen die mit den Veröffentlichungen
seiner Betreuer übereinstimmen. In diesem Zusammenhang hatten wir
auf die Wirkung des Rosenthal-Effekts hingewiesen (You get what you
expect!).
Konsequenzen dieses Ergebnisses
für die Homöopathie
Diese Ergebnisse widersprechen in eklatanter Weise den Regeln der
Homöopathie, denn die Wirksamkeit eines Arzneimittels sollte mit
zunehmender Potenzierung erhöht werden. Um das zu verdeutlichen,
haben wir die relevanten Daten in Abb.1 zusammengefasst.

Abb. 1. Wirkungsumkehr bei niedrigen Potenzen und erneute
Wirkungsumkehr bei hohen Potenzen von Belladonna bzw. dem darin
enthaltenen Wirkstoff Atropin. Die Werte D6 und D10 sind der
Veröffentlichung von Schmidt et. al., die anderen Daten der
Dissertation Radau entnommen. Der Wert D3 ist kein Messwert, sondern
wurde von uns eingefügt, um die Wirkungsumkehr von der
ursprünglichen Hemmung bei hohen Konzentrationen anschaulich zu
machen. Die hemmende Wirkung von Atropin in diesem
Verdünnungsbereich ist bekannt.
Wir diskutieren in diesem Abschnitt die Folgerungen, die sich
ergäben, wenn ein Homöopath die in der Veröffentlichung
von Schmidt et.al. und von Radau mitgeteilten Ergebnisse ernst nimmt.
Wirkungsumkehr bei Potenzierung
Wie in Abb. 1 dargestellt, ist den Daten der Autoren zu entnehmen, dass
eine erste Wirkungsumkehr bei einer Potenzierung auf D6 und D9
stattfindet. Die Autoren geben keine Hinweise darauf, welche Bedeutung
für die heilende Wirkung der Präparate sie dieser
Wirkungsumkehr zuschreiben. Weitere Potenzierungen von D9 bis D21
führen zu unwirksamen Präparaten. Das widerspricht den
Hahnmann'schen Regeln. Die Autoren haben diesen wichtigen Aspekt nicht
erwähnt. Welche praktische Folgerungen soll ein Homöopath
ziehen? Er kann ja nicht einfach darauf vertrauen, dass die Wirkung bei
allen Präparaten in diesem Bereich abfällt. Er muss
befürchten, dass er seinen Patienten wirkungslose Arzneimittel
verschreibt.
Nebenwirkungen
homöopathischer Arzneimittel
Dies ist sicher der wichtigste Aspekt. Bisher konnte ein Homöopath
sich darauf verlassen, dass Präparate der höheren Potenzen so
geringe Mengen der Originalsubstanzen enthielten, dass keine
Nebenwirkungen zu befürchten waren. Nach den neuen, von den
Schmidt et. al. mitgeteilten und von Radau bestätigten
Ergebnissen gilt dies nicht mehr. Im Gegenteil, bei weiterer
Potenzierung ab D32 nimmt das Präparat wieder die
Eigenschaften der Ursprungssubstanz an. Die Potenzen D32, D60 undD100
zeigen physiologisch messbare Wirkungen. Berücksichtigt man, dass
bei dem Muskel-Kontraktionstest das Atropin D100-Präparat 1:1000
verdünnt eingesetzt wurde, kann man schließen, dass dieses
Präparat die "geistigen Moleküle" in einer Dosis
enthält, die 1000-fach höher ist als erforderlich, um einen
physiologisch Effekt nachzuweisen. Solche Potenzen könnten also
potenziell giftige Arzneimittel enthalten.
2. Haltbarkeit
homöopathischer Arzneimittel
Bei einigen Versuchen, die mit homöopathischen Hochpotenzen
durchgeführt wurden, war die mangelnde
Reproduzierbarkeit einiger Versuche aufgefallen. Sie wird erklärt,
durch die längere
Lagerung der Präparate. Frau Radau hat
daraufhin gezielt homöopathische Präparate untersucht, die
unterschiedlich lange gelagert wurden. Die Experimente führten zu
dem überraschenden Ergebnis, dass die Präparate bereits nach
2 Monaten ihre Wirksamkeit vollständig eingebüßt
hatten. Wir haben einige Daten (Delta-Kontraktionswerte) aus mehreren
Versuchen (S. 153 der Dissertation) herausgegriffen und in Abb.2 in
übersichtlicher Form dargestellt. Dabei haben wir den
höchsten Wert zu 100% "homöopathische Aktivität" gesetzt.

Abb. 2 Wirksamkeit von Belladonna D60 in Abhängigkeit von der
Lagerzeit.
Wir diskutieren auch hier die Ergebnisse aus der Sicht eines
Homöopathen, der die Resultate für wissenschaftliche
Forschungsergebnisse hält:
Nach dem Homöopathischen Arzneimittelbuch (HAB) gelten höhere
Verdünnungen als unbegrenzt haltbar. Diese Bestimmungen wird man
überarbeiten müssen. Es ist offensichtlich, dass sich durch
die kurze Haltbarkeit homöopathischer Medikamente weitreichende
Konsequenzen ergeben:
- Die Zeitspanne zwischen Herstellung und Verbrauch der
Arzneimittel darf einen Monat nicht überschreiten.
- Setzt man voraus, dass der Patient eine Arzneimittelcharge
nur 14 Tage lang benutzt, so bleibt nur noch eine Zeitspanne von 14
Tagen zwischen Herstellung und Verkauf.
- Das Herstellungsdatum muss auf der Verpackung angegeben
werden.
- Alle Apotheken und Arzneimittel-Großhändler
müssen ihre Lager räumen und neue, schnelle Vertriebswege
einrichten.
- Bei den Firmen sind neue Investitionen erforderlich, um
kleine Mengen der Arzneimittel auf Anforderung frisch herstellen zu
können.
- Die Preise homöopathischer Medikamente werden
drastisch
ansteigen.
Dieses sensationelle Resultat ihrer Doktorarbeit widerspricht
aber einer Veröffentlichung ihres Doktorvaters, der angeblich
nachgewiesen hat, dass homöopathische Präparate unbegrenzt
haltbar sind (siehe Zitat 217 weiter unten).
So ist es zwar bemerkenswert aber nicht überraschend, dass Frau
Radau dieses aufsehenerregende, aber karriereschädliche Resultat
in ihrer Doktorarbeit eher versteckt als hervorhebt. Sie versucht
sogar, die Bedeutung ihrer eigenen Ergebnisse herunterzuspielen. Das
ist zwar angesichts der Brisanz der Ergebnisse verständlich, aber
unredlich. Den Ausweg aus der Zwickmühle findet die Doktorandin
indem sie ein zusätzliches "therapeutisch wirksames Agens"
erfindet:
Radau
S. 154: "Aus in vivo-Untersuchungen mittels Elektroakupunktur
nach Voll ist bekannt, dass das Alter von flüssigen Zubereitungen
sowie von Globuli keine Rolle für die Wirksamkeit spielt [217].
Der Wirkmechanismus von homöopathischen Hochpotenzen auf
biologische Systeme scheint also zumindest aus zwei sich
überlagernden Effekten zu bestehen, von denen der für die in
vitro-Untersuchungen maßgebliche keine dauerhafte Speicherung im
System erfährt. ....Einschränkend muß also gesagt
werden, daß sich die in vitro-Methode der isometrischen
Kontraktionsmessung nur für die Untersuchung von frisch
hergestellten Zubereitungen eignet. "
Die Ausrede, die sich die Doktorandin zurechtgelegt hat, ist
bemerkenswert: Es gibt zwei Typen von dem "therapeutisch wirksamen
Agens". Der eine ist kurzlebig und bei den von Frau Radau
durchgeführte in-vitro-Versuchen wirksam. Der andere ist langlebig
und ist wirksam bei der Behandlung von Patienten. Warum fühlt
sich Frau Radau dann berechtigt, aus ihren Versuchen Anweisungen
für die Herstellung von homöopathischen Präparaten
herzuleiten, wenn sie doch das für die Wirkung als Heilmittel
verantwortliche "therapeutisch wirksame Agens" nicht messen kann und
das "therapeutisch wirksame Agens" das sie angeblich mit ihrem Test
messen kann, in zwei Monaten in den Lösungen nicht mehr vorhanden,
also für die Behandlung von Patienten irrelevant ist?
Wenn dem so wäre, hätte Frau Radau das Thema ihrer
Doktorarbeit verfehlt. Es ist bemerkenswert, mit welcher Leichtigkeit
sie hier unbegründete Hilfsannahmen macht, um ein "unpassendes"
Ergebnis nicht berücksichtigen zu müssen. Eine typisch
esoterische Vorgehensweise.
Vielleicht können wir noch eine weitere esoterische Variante
beisteuern: wie wäre es mit einer Umwandlung von Typ1 in Typ2 nach
einem Monat? Typ 1 entsteht während der Potenzierung und stellt
eine instabile Vorstufe des "therapeutisch wirksamen Agens" dar. Nach
einem Reifungsprozess von einem Monat wird das endgültige
"therapeutisch wirksamen Agens" gebildet.
3. Wahl der
Herstellungsverfahren für homöopathische Arzneimittel
Die Doktorandin untersucht eine Reihe von Präparaten, die nach
unterschiedlichen Vorschriften hergestellt wurden. Aus der Hemmwirkung
die diese Präparate in dem beschriebenen Test zeigen,
schließt Frau Radau auf die Präsenz des
"therapeutisch wirksamen Agens " in dem Präparat. Daraus leitet
sie Empfehlungen für die Herstellung von homöopathischen
Präparaten ab.
Da diese Ergebnisse ohnehin alle falsch sind, gehen wir nicht auf
Einzelheiten dieser Verfahren und der vorgelegten Ergebnisse ein.
Für Firmen, die homöopathische Arzneimittel nach Vorschriften
herstellen die nach den Untersuchungen Radaus nicht zu einer
Übertragung des "therapeutischen Agens" führen, ergeben sich
praktische Konsequenzen. Wenn sie den Patienten keine wirkungslosen
Arzneimittel liefern wollen, müssten sie möglicherweise
Investitionen tätigen um die Produktion auf die von Frau Radau
empfohlenen Vorschriften umzustellen. Die Patienten müssten dann
vermutlich für die nach einer "wissenschaftlich
geprüften" Vorschrift hergestellten Arzneimittel einen
höheren Preis in Kauf nehmen.
4.
Materialwissenschaftliche Untersuchungen
Die Doktorandin untersuchte mit einer Vielzahl von Methoden die
Eigenschaften von Materialien, die als Träger für
homöopathische Arzneimittel infrage kommen. Wir haben keinen
Anlass diesen Teil der Dissertation zu beanstanden. Da wir auf diesem
Gebiet nicht kompetent sind, können wir nicht beurteilen, ob diese
Untersuchungen zu neuen Erkenntnissen auf diesem Gebiet geführt
haben.
Unsere Kritik
Wie oben dargelegt, führen theoretische Überlegungen
zu dem zwingenden Schluss, dass mit der von Schmidt. et. al.
veröffentlichten Methode kein "therapeutisch wirksames Agens"
gemessen werden kann. Da die Doktorandin diese Methode zum Nachweis
eben dieses Agens benutzt hat, müssen alle Ergebnisse falsch sein,
die mit diesem Test gewonnen wurden. Wären die Versuche fehlerfrei
durchgeführt worden, hätten alle in der Arbeit ermittelten
Delta-Kontraktion-Werte den Wert Null haben müssen.
Um zu diesem Urteil zu gelangen, ist es nicht erforderlich, die
Versuchsergebnisse oder Einzelheiten der
Versuchsdurchführung zu kennen.
Die Kenntnis dieser Details erleichtert es aber, die Fehlerquellen zu
benennen, die zu den falschen Ergebnissen geführt haben. Deshalb
haben wir schon, leider vergebens, bei der Kommentierung der
Veröffentlichung von Schmidt. et. al. um Überlassung der
Originalregistrate gebeten. Wir hatten gehofft, nun wenigstens die
Originalregistrate dieser Dissertation zu erhalten, da der Dekan, Prof.
Eger, uns in einem Schreiben vom 10.03.05 mitteilte, er habe
veranlasst, dass alle Originalregistrate in die Dissertation
aufgenommen werden. Leider ist das nicht geschehen.
Die Fehlerquellen, die vermutlich zu den falschen Ergebnissen
geführt haben sind in unserem bereits erwähnten Kommentar [2]
dargelegt worden. Wir verzichten hier darauf, sie noch einmal zu
besprechen.
Ein besonders interessanter Aspekt der Arbeit ist die
Tatsache, dass Belladonna-Hochpotenzen auch aus homöopathischer
Sicht unwirksame "Arzneimittel" sind. Die Wirksamkeit eines
homöopathischen Arzneimittels wird durch eine
Arzneimittelprüfung ermittelt. Dazu wird untersucht, welche
Symptome das Arzneimittel bei gesunden Probanden hervorruft. Nach dem
Prinzip "Similia similibus curentur" wird geschlossen, dass ein
Arzneimittel dann geeignet ist eine Krankheiten zu heilen, wenn es die
gleichen
Symptomen hervorruft, wie die Krankheit selbst.
Während früher einzelne Personen die Prüfung vornahmen
und zufällige Befindlichkeitsstörungen in das Ergebnis
einflossen, versucht man heute durch Prüfung von Gruppen von
Probanden in placebo-kontrollierten Doppelblindstudien diese
individuellen Einflüsse auszuschließen. In den letzten
Jahren sind einige Untersuchungen mit Belladonna C30 (entspricht D60)
bekannt geworden. So konnte Goodyear 1998 [5] keine eindeutigen
Unterschiede in der Beschreibung der Symptome zwischen der Verum- und
Placebogruppe finden. 2001 wurde von Walach et.al. [6] und 2003 von
Brien et.al.
[7] übereinstimmend berichtet, dass auch sie keine signifikanten
Unterschiede zwischen beiden Gruppen beobachten konnten.
Alle diese umfangreichen Studien haben gezeigt, dass
Belladonna-Hochpotenzen beim Menschen keine nachweisbare Wirkung haben.
Es ist unverständlich, warum die Doktorandin gerade diese
Präparate, für ihre Versuche eingesetzt hat. Es ist
auffallend, dass Frau Radau keine der oben angeführten, für
ihre
Arbeit so wichtigen Veröffentlichungen, zitiert hat.
Das Dissertationsverfahren
Auszug aus der Promotionsordnung der Fakultät für
Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie der Universität
Leipzig:
"Mit der Dissertation als
Einzelleistung weist der Kandidat die
Fähigkeit nach, selbständig wissenschaftliche Ergebnisse zu
erzielen, die eine Entwicklung des Wissenschaftszweiges, seiner
Theorien und Methoden darstellen."
Wir sind der Ansicht, dass Frau Radau diesen Nachweis nicht erbracht hat
Die Universitäten haben in ihre Promotionsordnungen eine Reihe von
Hürden eingebaut, mit denen verhindert werden soll, dass Arbeiten,
die keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben können,
als Doktorarbeiten anerkannt werden.
Zunächst entscheidet die Fakultät über die Annahme eines
Doktoranden und des Themas, mit dem er sich qualifizieren will. Bereits
zu diesem Zeitpunkt hätte die Fakultät bemerken müssen,
dass es sich um ein pseudowissenschaftliches Thema handelt. Die von der
Promotionsordnung geforderten regelmäßigen Berichte
über den Fortschritt der Arbeit hätten ebenfalls Zweifel an
der Seriosität der Arbeit aufkommen lassen müssen.
In dem eigentlichen Promotionsverfahren entscheidet die Fakultät
darüber, ob sie die Arbeit als Dissertation akzeptieren will. Dazu
beauftragt sie drei Gutachter. Zwei der Gutachter waren die
Versuchsleiter Prof. Süß und Prof. Nieber. Von ihnen war
natürlich ein positives Gutachten zu erwarten.
Als dritter Gutachter wurde Prof. Daniels am Institut für
Pharmazeutische Technologie der TU Braunschweig benannt. Offensichtlich
hat auch er ein positives
Gutachten abgegeben, sonst wären weitere Gutachter
hinzugezogen worden. Das ist schwer verständlich. Nach seinen
Arbeiten zu urteilen, sind
pseudowissenschaftliche Neigungen von Prof. Daniels nicht erkennbar. Es
ist uns nicht bekannt, ob er Vorbehalte geltend gemacht hat. Hier
besteht der Verdacht, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten
handelt.
Der Promotionsausschuss bewertet die Gutachten. Ihm gehören
fünf Hochschullehrer an. Die letzte Entscheidung obliegt dem
Fakultätsrat. Auch hier scheint es keinen ernsthaften Widerspruch
gegeben zu haben.
Die Dissertation muss vom Doktoranden öffentlich verteidigt
werden und schließlich wird in dem sogenannten Rigorosum der
Doktorand von den Mitgliedern der Promotionskommission noch einmal
eingehend über seine Arbeit geprüft.
Es ist merkwürdig, dass es nicht aufgefallen ist, dass die Arbeit
die Kriterien der Wissenschaftlichkeit nicht erfüllt, obwohl so
viele Fakultätsmitglieder an dem Promotionsverfahren beteiligt
waren. Man gewinnt den Eindruck, als wäre die Arbeit von den
damit beteiligten Professoren ohne Kenntnis des Inhaltes beurteilt
worden. Hätte ein einziger der beteiligten Wissenschaftler seine
Verantwortung im Rahmen der Selbstverantwortung der Wissenschaft und im
Interesse der Sicherung eines guten wissenschaftlichen Standards an der
Universität Leipzig wahrgenommen, wäre die Arbeit sicher
nicht akzeptiert worden. Hätte man bereits bei der Annahme des
Dissertationsthemas darauf geachtet, dass nur seriöse Arbeiten
genehmigt werden, hätte der Doktorandin ein anderes Thema
zugewiesen werden können.
Pseudowissenschaftliches Denken ist offenbar an der
Universität Leipzig weiter verbreitet, als wir vermutet haben.
Die etwas merkwürdigen Versuche des Dekans, wie auch des
Ombudsmanns, die Veröffentlichung Schmidt, Süß und
Nieber zu rechtfertigen, finden wir unter diesem Aspekt irritierend [4].
Ein Preis für eine esoterische Arbeit
Unter dem Titel: Verleihung des 1. Hahnemannpreises berichtet das
Meißner Amtsblatt vom 22.04.05 (Auszug):
"Mehrere hundert Besucher
strömten am 10. April 2005 ins Stadttheater, wo
Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) und die Sächsische
Gesundheitsministerin Helma Orosz den ersten "Großen
Meißner Globulus" an Herrn Prof. Dr. Wolfgang Süß und
Frau Dr. Kirsten Radau vom Institut für Pharmazie, Pharmazeutische
Technologie der Universität Leipzig überreichten.
Ausgezeichnet wurden sie für ihre Untersuchungen, welche den
wissenschaftlichen Nachweis brachten, in welchem kristallographischen
Zustand sich der zur Herstellung von Triturationen (Pulsieren eines
Feststoffes) verwendete Milchzucker befinden muss, um das
"Therapeutisch wirksame Agens" aus einer flüssigen
homöopathischen Hochpotenz in die Streukügelchen zu
übertragen."
Literatur:
| 1. |
Schmidt,
F.; Süß, W.G.; Nieber, K. (2004) In-vitro Testungen
von
homöopathischen Verdünnungen. Biologische
Medizin 33: 32-36. |
| 2. |
http://www.xy44.de/belladonna |
| 3. |
http://www.xy44.de/belladonna/chrono/kommentar.pdf
|
| 4. |
http://www.xy44.de/belladonna/chrono/ |
| 5. |
Goodyear,
K., Lewith, G. und Low, J.L.: Randomized
double-blind placebo-controlled
trial ofhomoeopathic 'proving' for Belladonna C30. J. R. Soc Med. 1998 Nov;91(11):579-82. |
| 6. |
Walach, H., Köster, H., Henning, T. und
Haag, G.: J.Psychosom. Res. 2001, 50, 155-160 |
| 7. |
Briean,
S., Lewith, G. uns Bryant, T.:Ultramolecular
homeopathy has no observable clinical effects. A randomized,
double-blind,
placebo-controlled proving trial of Belladonna 30C, Br. J. Clin. Pharmacol. 2003 Nov;56(5):562-8. |
| 36. |
Hahnemann, S. Organon der Heilkunst, Schmidt, J.M.
(Hrsg.). Sechste
Auflage, Karl F. Haug Verlag:
Stuttgart (Neuausgabe1999, auf der
Grundlage der 1992 vom Herausgeber bearbeiteten textkritischen Ausgabe
des Manuskriptes Hahnemanns (1842)) |
| 39. |
Anagnostatos, G.S.:Small water clusters (clathrates) in
the
homoeopathic preparation process, In: Endler, P.C. und Schulte, J.
(Hrsg.), Ultra High Dilution - Physiology and Physics, Kluwer Academic
Publishers: Dordrecht / Boston / London (1994), 121-128 |
| 95. |
Plumridge, T.H. und Waigh, R.D.:Water structure theory
and some
implications for drug design, J. Pharm. Pharmacol. 54, 1155-1179 (2002) |
| 141. |
Resch, G. und Gutmann, V.:Wissenschaftliche Grundlagen
der
Homöopathie,
2. Auflage, O.-Verlag GmbH: Berg am Starnberger See (1986) |
| 142. |
Schulte, J. und Endler, P.C.:Outline of experimental
physical methods
to investigate specific structures of ultra high diluted solvents, In:
Endler, P.C. und Schulte, J. (Hrsg.), Ultra High Dilution - Physiology
and Physics, Kluwer Academic Publishers: Dordrecht / Boston / London
(1994), 99-104
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-speicherung, RegulationsMedizin 5 (1), 9-15 (2000)
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| 143. |
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Paradigmenwechsel
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Literaturverzeichnis 233
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homeopathic potencies? Homeopathy 92, 145-151 (2003)
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F., Moeller, H. und Schulte, J.:The metamorphosis of amphibians and
information of thyroxin storage via the bipolar fluid water and on a
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Schulte, J. und Endler, P.C. (Hrsg.), Fundamental research in ultra
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zum Einfluss der
Herstellungsbedingungen von homöopathischen Hochpotenzen mit Hilfe
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Elektroakupunktur nach Voll (EAV), In: Süß, W.G. (Hrsg.),
Homöopathische Arzneimittel - wissenschaftliche Grundlagen
für die
Herstellung, Qualität und Anwendung, Deutscher Apotheker-Verlag
(2004),
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