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Zum Film #Elternschule haben wir folgenden offenen Brief versendet:
An den
Bund deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)
sowie die
Ärztekammer Westfalen-Lippe
sowie
an alle deutschen Kinos
Offener Brief zum Dokumentarfilm „Elternschule“
Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener vertritt die Rechte von PsychiatriepatientInnen und Expatientinnen unabhängig von deren Alter. Mit Erschrecken haben wir den Film „Elternschule“ der Filmemacher Ralph Bücheler und Jörg Adolph zur Kenntnis genommen. Obwohl es sich beim Hauptdrehort um eine Station der „Pädiatrischen Psychosomatik“ handelt, halten wir eine Stellungnahme des BPE für angebracht, da die grundrechtlichen Einschränkungen dem akutpsychiatrischen Bereich um nichts nachstehen.
Im Film werden an jungen Menschen durchgeführte Praktiken gezeigt wie:
- Einsperren in einem Gitterbett in einem abgedunkelten Raum über mehrere Stunden ohne die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu den Eltern, mit zeitlich begrenzten pflegerischen Routinekontrollen
- Zwangsweises Zuführen von Nahrung unter Aufwendung seelischen Drucks und/oder körperlicher Gewalt (Festhalten, Löffel/Flasche in den Mund stecken)
- Einsperren in einem Raum mit emotional nicht responsiven fremden Personen bei Unterbinden sämtlicher Tätigkeiten zur Selbstbeschäftigung durch Festhalten der Hände
- Verweigerung gewünschter und Vorsetzen abgelehnter Nahrung über einen unklaren Zeitraum mit den Folgen Gewichtsverlust, Schwäche, Müdigkeit
- Nicht medizinisch indizierte zwangsweise Sondierung eines Kleinkindes
- Zwangsweiser „Sport“ und zwangsweise „Spaziergänge“ durch Festhalten der Hände und Mitschleifen/-ziehen
- Weinen- und Schreienlassen bis zur körperlichen Erschöpfung
Wir möchten uns nicht an der Effektivität konkreter „Erziehungsmaßnahmen“ abarbeiten. Solange grund- und menschenrechtliche sowie berufsethische Fragen im Raum stehen, ist die Funktionalität der genannten Praktiken zum Erreichen bestimmter „Erziehungsziele“ völlig irrelevant.
Einige der im Film gezeigten Praktiken sind aus unserer Sicht Folter oder zumindest folterähnlich. Gemäß der UN-Antifolterkonvention[1] enthält Folter mindestens folgende vier Elemente:
1. Eine Handlung fügt große körperliche oder seelische Schmerzen zu,
2. wird vorsätzlich ausgeführt,
3. verfolgt einen spezifischen Zweck,
4. erfolgt unter Beteiligung oder zumindest dem stillen Einverständnis einer/s staatlichen Bediensteten.
Zumindest Isolation und Zwangsernährung stellen aus unserer Sicht folterähnliche und grausame Praktiken dar. Hier erscheint uns auch die Position der Vereinten Nationen eindeutig. Der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zeigte sich 2015 tief besorgt darüber, dass Deutschland „… die Verwendung körperlicher und chemischer Freiheitseinschränkungen, die Absonderung und andere schädliche Praktiken nicht als Folterhandlungen anerkennt.“[2]
Auch Zwangsernährung wird historisch und politisch als Folter diskutiert.[3] Im Kontext einer israelischen Gesetzesänderung zur Zwangsernährung von Gefangenen hat der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter, Juan E. Méndez, klar Position bezogen: “Even if it is intended for the benefit of the detainees, feeding induced by threats, coercion, force or use of physical restraints are tantamount to cruel, inhuman and degrading treatment” [4]